Die türkischen Interessen reichen bis weit in den Mittleren Osten hinein. Ankara versucht nach der Machtübernahme der islamistischen Taliban in Afghanistan, eine Achse Ankara-Kabul zu installieren und so einen weiteren Brückenkopf seiner islamistischen und neoosmanischen Expansionspolitik im Mittleren Osten zu schaffen.
Panturkismus und neoosmanische Expansion
Nachdem der türkische Regimechef erst vor kurzem erklärt hatte, die religiösen Ansichten seiner Regierung unterschieden sich kaum von denen der Taliban, kündigte Erdoğan nun indirekt die aktive Unterstützung des islamistischen Schreckensregimes in Afghanistan an. Der türkische Präsident erklärte: „Es ist unsere brüderliche Verpflichtung, in guten wie in schlechten Tagen an der Seite unserer Brüder in Afghanistan zu stehen. Unsere zuständigen Institutionen stehen bereits seit einiger Zeit in Kontakt mit den Taliban. Wir haben bereits erklärt, dass wir Taliban-Führer empfangen können, um über die Zukunft des Landes zu diskutieren. Diese Haltung halten wir bis heute aufrecht.“ Noch deutlicher wird er mit den Worten: „Wir sind bereit, auf jede mögliche Weise im Hinblick auf den Frieden des afghanischen Volkes, das Wohlergehen unserer türkischen Volksgenossen, die in diesem Land leben, und den Schutz der Interessen unseres Landes, zusammenzuarbeiten.“ Mit dem völkischen Ausdruck „türkische Volksgenossen“ greift Erdoğan auf die turanistische Ideologie zurück, welche eine panturkistische Einheit der angeblich „überlegenen“ Turkvölker postuliert und starke Parallelen zum Nationalsozialismus aufweist.
Kontrolle über Flughafen erster Schritt
Erdoğan setzt sich des Weiteren für eine türkische Truppenpräsenz in Afghanistan ein und erklärt, dies werde „die Arbeit der neuen Regierung“ erleichtern: „Unsere Truppen in Afghanistan haben nie als Kampftruppe gedient, das betone ich. Deshalb haben wir unsere Soldaten dort nie als fremde Macht gesehen oder benutzt. Nach dem amerikanischen Rückzug war es unser Ziel, zur Sicherheit dieses Landes beizutragen, indem wir die Sicherheit des Flughafens gewährleisten, was immer noch unsere Absicht ist.“ Afghanistan würde für die Türkei eine wichtige Stellung im Verhältnis zu den sogenannten Turkstaaten wie Usbekistan und Tadschikistan darstellen, andererseits aber auch die Position als eine Ausgangsbasis zur Unterstützung dschihadistischer Bestrebungen in Kaschmir bieten. Die türkische Regierung hatte vor Monaten bereits diskutiert, dschihadistische Söldner aus Syrien dazu nach Kaschmir zu entsenden. Dem stehen allerdings Indien und insbesondere auch China entgegen.
„Brüderliche Verpflichtung“ gilt nur für Taliban
Die „brüderliche Verpflichtung“ dem „afghanischen Volk“ gegenüber gilt aber offensichtlich nicht für Flüchtende. Erdoğan kündigt eine weitere Abschottung der Grenzen an: „Wir haben vier Provinzen mit einer Grenze zum Iran: Ağrı, Hakkari, Iğdır und Van. Die gesamte Grenze wird mit einer Mauer geschlossen. Die Arbeiten an der Grenzmauer in Ağrı und Iğdır sind bereits abgeschlossen." So spielt die Türkei weiter die Rolle eines flüchtlingsfeindlichen Bollwerks vor den Grenzen der EU.