HDP: Menschen in Afghanistan werden der Interessenpolitik geopfert

Die Forderungen nach Demokratie und Freiheit in Afghanistan wurden den Interessen der Realpolitik geopfert, erklärt die HDP zur aktuellen Lage in Afghanistan.

Die Ko-Sprecher:innen der außenpolitischen Kommission der HDP, Feleknas Uca und Hişyar Özsoy, kritisieren die Afghanistanpolitik und warnen vor der Interessenpolitik der Türkei in der Region. In der Erklärung heißt es: „Die USA und Großbritannien haben 2001 die Besatzung unter der Parole, ‚Wir werden Afghanistan befreien‘ begonnen. Nun endet die Besatzung und hinterlässt mehr als 50.000 Tote und eine vollkommen zerstörte Gesellschaft. Die Taliban sind in Kabul einmarschiert und haben erklärt, der Krieg sei beendet.

Während die Niederlage der USA einen großen Sieg für die Taliban darstellt, erwarten die Menschen in Afghanistan eine chaotische Zeit und neue Gräueltaten. Während sich die USA von der Bildfläche zurückziehen, kündigt sich das repressive Regime der Taliban offen an. Die Nachbarstaaten von Afghanistan, China, Iran, Pakistan, Turkmenistan, Tadschikistan und Usbekistan, sowie Staaten wie Russland und Indien, die nicht an Afghanistan grenzen, aber dort bedeutende Interessen haben, positionieren sich neu, um ihre Interessen zu wahren. Sogar die türkische Regierung, die Tausende von Kilometern entfernt ist, fährt in den gefährlichen Gewässern, um eine Stellung in Afghanistan zu gewinnen. Es sieht so aus, als werde Afghanistan in Zukunft der Schauplatz für Hegemonialkämpfe werden. In Afghanistan werden die Forderungen von Frauen, Minderheiten und Menschenrechtler:innen, derjenigen, die Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit wollen, wieder einmal den Interessen der Realpolitik geopfert. In den USA, die nun das beendeten, was sie vor 20 Jahren als ‚Operation Enduring Freedom‘ begannen, sprechen selbst die ‚weißen Feministinnen‘, die die Besatzung befürworteten, nicht mehr von der ‚Rettung afghanischer Frauen‘.

Der Rückzug der USA aus Afghanistan ist für die Türkei von großem Interesse. Die militärische Präsenz des NATO-Mitglieds Türkei in Afghanistan und insbesondere die Frage der Afghan:innen, die in den letzten zwei Jahren in der Türkei Zuflucht gesucht haben, sind wichtige Themen.

Präsident Erdoğan wollte eine zentrale Rolle übernehmen, indem er mit den USA über die Sicherheit des Flughafens Kabul verhandelte. Nachdem die Taliban angekündigt hatten, dass diejenigen, die mit der NATO kamen, auch mit der NATO gehen sollten, und sie die Türkei als ‚Eindringling‘ betrachten würden, erklärte Erdoğan, dass es keinen Widerspruch zwischen den religiösen Überzeugungen der Taliban und den seinen gebe, und man bald die Taliban-Führung anerkennen werde. Zuletzt erklärte ein Taliban-Sprecher, sie betrachteten die Türkei als Verbündeten, nicht als Feind. Es wird davon ausgegangen, dass die Beziehungen zwischen der Türkei und den Taliban auf der Grundlage von Machtinteressen strukturiert werden. Was die Afghan:innen betrifft, die vor dem Krieg geflohen sind und in die Türkei gekommen sind, weiß niemand, was die Regierung tun wird. Die türkische Regierung wird wahrscheinlich afghanische Geflüchtete, neben den Schutzsuchenden aus Syrien, als Druckmittel gegen die EU einsetzen. Angela Merkel hat ohnehin bereits ihren Wunsch zum Ausdruck gebracht, mit der Türkei in Bezug auf Afghanistan zusammenzuarbeiten.

Es ist unrealistisch zu erwarten, dass die AKP/MHP-Regierung, die mit ihrer militaristischen Politik von Libyen bis Afghanistan die Konflikte zugespitzt hat und versucht, politische Krisen in Chancen zu verwandeln, die Probleme in diesen Regionen auf der Grundlage universeller humanitärer Werte angeht. In wenigen Monaten wird die Regierung ihre Auslandseinsätze in Afghanistan, Irak, Syrien und Libyen dem Parlament vorlegen. Wir hoffen, dass die Oppositionsparteien im Parlament sich gegen diese Kriegsvollmachten und auf die Seite einer friedlichen Politik stellen werden.

Als HDP glauben wir, dass politische Krisen von Libyen über Syrien bis nach Afghanistan ohne Kriege und Tod gelöst werden können und müssen. Nur die Menschen in Afghanistan können die politischen Probleme in Afghanistan lösen. Die Folgen von militärischen Interventionen aus dem Ausland liegen auf der Hand. Was die Menschen in Afghanistan brauchen, sind keine Waffen, sondern der Aufbau eines politischen Systems, in dem sie in Frieden und Ruhe leben können. Wir fordern die internationale Gemeinschaft auf, eine konstruktive Rolle beim Wiederaufbau Afghanistans zu spielen und diejenigen, die für Demokratie kämpfen, nicht allein zu lassen. Wir grüßen das afghanische Volk, das in den letzten 40 Jahren großes Leid erlitten hat, und drücken unsere Solidarität mit den afghanischen Frauen aus, die ihre Kämpfe auch in den dunkelsten Zeiten nicht aufgegeben haben.“