Seit dem schweren Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet sind fast zwei Monate vergangen. In der stark zerstörten Provinz Hatay ist der Grundbedarf der obdachlos gewordenen Menschen weiterhin nicht gedeckt. Die Unterbringung stellt nach wie vor ein ernstes Problem dar. Es fehlen Wohncontainer und viele Erdbebenopfer haben nicht einmal ein Zelt.
Eine der Betroffenen ist Fehime Nohut aus dem Armutlu-Viertel in Defne. Ihre Wohnung wurde bei dem Erdbeben schwer beschädigt. Sie berichtete gegenüber ANF, dass sie sich mit ihrer Familie aus eigener Kraft aus dem Gebäude retten konnte. Vier Tage lang sei jedoch niemand zur Hilfe gekommen. Ein Nachbar habe vergeblich unter den Trümmern um Hilfe geschrien und sei dann gestorben. Sie habe mit ihrer Familie lange auf der Straße in der Kälte ausgeharrt und sei dann mit ihrer Mutter, die auf einen Rollstuhl angewiesen ist, nach Mersin gefahren. Weil das Wohnheim, in dem sie untergebracht wurden, mehrstöckig und damit für ihre Mutter ungeeignet war, kehrte die Familie Nohut nach Armutlu zurück.
Jetzt schläft die Familie in ihrem Auto, weil sie auch zwei Monate nach dem Erdbeben kein Zelt finden konnte, sagte Fehime Nohut: „Ich habe seit den Erdbeben keine Hilfe erhalten. Es gibt kein Zelt, kein Essen, keine Waschgelegenheit und kein Geld. Wenn man um Essen bittet, sagt einem der Beamte dort, dass es erst in einer Woche kommen wird. Soll ich also eine Woche lang hungern?"
Die Familie wollte ihr Eigentum aus ihrer schwer beschädigten Wohnung holen lassen, aber dafür wird viel Geld verlangt, so Fehime Nohut: „Sie wollen über 10.000 TL, nur um das Hab und Gut mit dem Transportlift aus dem Haus zu holen. Wir haben keine Ersparnisse, es ist vorbei. Es geht mir sehr schlecht. Wo ist der Staat? Wo ist die Regierung? Schlafen sie?"
„Ich bereue, dass ich Erdoğan gewählt habe“
Weiter sagte Fehime Nohut: „Ich habe bei den letzten Wahlen für Erdoğan gestimmt, aber heute bereue ich es sehr. Er hat viele Versprechungen gemacht, aber keine davon erfüllt. Heute ist jeder damit beschäftigt, sich zu zeigen. Alle sagen ,ich, ich, ich'. Es werden wieder Versprechungen gemacht, die morgen nicht eingehalten werden. Ich habe hier viele Abgeordnete gesehen. Sie kommen und schreien, aber sie bringen keine Lösungen. Deshalb werde ich dieses Jahr nicht wählen. Ich kann niemandem mehr trauen, sie haben unser Vertrauen erschüttert.“
„Wir regieren uns selbst“
„Wenn sie heute, am schlimmsten Tag, nicht bei uns sind, sollten sie nie bei uns sein. Wir regieren uns selbst, wir brauchen niemanden, der uns regiert. Wir sind eigentlich stärker als die Gewählten, die Politiker. Sie machen nur Politik. Aber immer nur mit Worten, nie in der Praxis. Jetzt reden sie davon, uns zu verschulden und Häuser zu bauen. Wir wollen kein neues Haus, wir wollen unser eigenes Haus. Der CHP-Vorsitzende Kılıçdaroğlu sagt, er werde Häuser bauen, ohne von irgendjemandem Geld zu nehmen. Ich denke nicht, dass er es tun wird, weil alle die Menschen einfach vergessen, wenn sie auf dem Präsidentensessel sitzen. Mir ist erst nach dem Erdbeben klar geworden, dass niemand ohne das Volk an die Macht kommen kann."