Durchsuchungen und Festnahmen in der Türkei und Nordkurdistan

Im Rahmen der sogenannten „Kobanê-Ermittlungen“ finden Festnahmeoperationen in 13 Städten in der Türkei und Nordkurdistan statt. Es sollen 91 Festnahmeanordnungen vollstreckt werden.

In der Türkei und Nordkurdistan läuft seit Dienstagmorgen eine großangelegte Festnahmeoperation. Bisher wurden 46 Personen festgenommen. Unter den Festgenommenen befinden sich viele Aktivist:innen und Politiker:innen der Demokratischen Partei der Völker (HDP) wie zum Beispiel der ehemalige Ko-Bürgermeister von Akdeniz in Mersin, Fazıl Türk, die Mitarbeiter:innen des Rathauses von Akdeniz, Hasan Çat, Selami Turan und Ülfiye Özcan, sowie der Anwalt und ehemalige Mitarbeiter der Stadtverwaltung von Amed (tr. Diyarbakır), Metin Kılavuz, der ehemalige HDP-Schatzmeister Zeki Çelik, Mustafa Bilgiç aus dem Provinzvorstand der HDP in Adana sowie Şefik Özbey und Necmettin Aslan. Insgesamt sollen 91 Festnahmeanordnungen vollstreckt werden. Die Festnahmen fanden in Mersin, Adana, Istanbul, Amed, Riha (Urfa) und vielen weiteren Städten statt. Gegen die Festgenommenen wurde Incommunicado-Haft verhängt, mindestens 24 Stunden lang dürfen die Festgenommenen keinen Kontakt zu einem Rechtsbeistand haben. In dem Verfahren wurde ein Geheimhaltungsverfügung verhängt.

Hintergrund der Kobanê-Proteste

Die Festnahmen erfolgten auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Ankara wegen angeblicher „Beteiligung an der Finanzstruktur hinter den Kobanê-Auseinandersetzungen und materieller Hilfe für die Familien von verletzten oder verstorbenen PKK-Mitgliedern“. Mit „Kobanê-Auseinandersetzungen“ sind die Proteste gemeint, nachdem es am Abend des 6. Oktober 2014 der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) nach 21 Tagen Widerstand der Verteidigungseinheiten YPG/YPJ sowie der Bevölkerung von Kobanê gelungen war, ins Zentrum der westkurdischen Stadt einzudringen. Angesichts der kritischen Situation hatte die HDP die Öffentlichkeit zu einem unbefristeten Protest gegen die türkische Regierung aufgerufen, da diese ihre Unterstützung für den IS nicht beendete. Im Zuge dessen kam es in vielen Städten zu regelrechten Straßenschlachten zwischen Sicherheitskräften sowie paramilitärischen Verbänden wie Dorfschützern und Anhängern der radikalislamistischen türkisch-kurdischen Hisbollah (Hizbullah) und den Demonstrant:innen. Die Zahl der dabei getöteten Personen, bei denen es sich größtenteils um Teilnehmende des Aufstands handelte, schwankt zwischen 46 (IHD) und 53. Die Regierung spricht lediglich von 37 Toten. Laut eines Berichts des Menschenrechtsvereins IHD wurden 682 Menschen bei den Protesten verletzt. Mindestens 323 Personen wurden verhaftet. Im Verlauf des Aufstands kam es zudem zu Brandanschlägen auf Geschäfte sowie öffentliche Einrichtungen.