Der kurdische Aktivist Halil Şen hat sich am Freitag hinter dem Sächsischen Landtag in Dresden selbst verbrannt. Rettungssanitäter brachten den 1971 in Dih bei Sêrt (tr. Siirt) geborenen Mann mit lebensgefährlichen Verletzungen in ein Krankenhaus. Dort starb er wenig später. In einem Brief, der ANF vorliegt, schilderte Şen die Beweggründe, die zu seiner Selbstverbrennung geführt haben: „Die Isolation gegen Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali. Seit Monaten dringt kein Lebenszeichen des Volksrepräsentanten an die Öffentlichkeit. Weder seinen Anwälten noch seiner Familie wird der Kontakt ermöglicht. Zwar gibt es dagegen Reaktionen und Aktivitäten, aber das reicht nicht aus. (…) Die Kinder des Anerkennung verdienenden kurdischen Volkes sind seit 45 Tagen unter den schwierigsten Bedingungen im Hungerstreik, um eine Nachricht von Öcalan zu erhalten. Tausende kurdische Frauen sind im Gefängnis. Dagegen rebelliere ich“, heißt es darin. Şen formulierte in seinem Brief auch Kritik an Teilen der kurdischen Diaspora in Europa, denen er „Gleichgültigkeit“ angesichts der „Isolation, Unterdrückung und Folter“ gegen Öcalan vorwarf.
Halil Şen lebte seit 25 Jahren in der Bundesrepublik. In der kurdischen Community von Dresden gibt es kaum eine Person, die ihn nicht gekannt hat. Seine Wohnung verließ er am Freitag nach Angaben von Mitgliedern des Dresdner Vereins deutsch-kurdischer Begegnung e.V. mit der Begründung, in Berlin an einer Demonstration anlässlich des 22. Jahrestages der Verschleppung von Abdullah Öcalan teilzunehmen. Doch gegen 13.30 Uhr übergoss Şen sich in der Dresdner Altstadt an der Straße Neue Terrasse mit einer Flüssigkeit und zündete sich an.
Medienberichten zufolge wurde diese Szene von einem Medizinstudenten beobachtet, der zusammen mit weiteren Personen versuchte, den brennenden Halil Şen mit Schnee und einer Jacke zu löschen. Per Rettungshubschrauber wurde er in ein Krankenhaus geflogen, erlag dort jedoch kurz darauf seinen schweren Verletzungen.
Dass es sich bei dem Toten um Halil Şen handelt, wurde erst heute anhand eines DNA-Abgleichs von der Polizei bestätigt. Die Angehörigen des Verstorbenen warten auf die Freigabe des Leichnams. Der kurdische Verband KON-MED will heute um 17 Uhr am Ort der Selbstverbrennung eine Erklärung abgeben.
PKK kritisiert Selbstverbrennungen
Der Akt der Selbstverbrennung ist eine der extremsten Formen des politischen Protests. Abdullah Öcalan und die kurdische Befreiungsbewegung haben diese Aktionsform wiederholt kritisiert. Nach dem internationalen Komplott, wie die kurdische Gesellschaft die völkerrechtswidrige Verschleppung des PKK-begründers am 15. Februar 1999 aus Kenia in die Türkei nennt, kam es weltweit zu Selbstverbrennungen. Auch in Deutschland zündeten sich dutzende Kurdinnen und Kurden aus Protest an. Zuvor kam es nach dem Betätigungsverbot gegen die PKK in Deutschland 1993 zu solchen Szenen. Vor zwei Jahren hat sich Uğur Şakar aus Protest gegen die Isolation auf Imrali und die deutsche Kriminalisierungspolitik vor einem Gerichtsgebäude in Krefeld tödliche Selbstverbrennungen hinzugefügt. Sechs Monate zuvor hat sich der kurdische Aktivist Ümit Acar in Ingolstadt selbst verbrannt.