Markthändler Kesiciler: Die Armen sind noch ärmer geworden

Der seit 30 Jahren in Ankara als Markthändler tätige Mehmet Zarif Kesiciler stellt fest, dass die arme Bevölkerung noch ärmer wird und es wichtig sei, die Menschen über Ursachen der Wirtschaftskrise in der Türkei aufzuklären.

Mehmet Zarif Kesiciler ist seit 30 Jahren Markthändler in Ankara. Er erklärt gegenüber ANF, dass steigende Erzeugerpreise, Preiserhöhungen und sinkende Realeinkommen zu großen Problemen führen: „Der Beruf des Markthändlers stirbt langsam aus.“


Die Krise erlebten sie am eigenen Leib mit, weil sie einem Berufsstand angehörten, der direkt mit den in der Gegend lebenden Menschen zu tun habe. Ihre Verkäufe seien mit der sinkenden Kaufkraft zurückgegangen. „Wir haben keine Chance, Geld zu verdienen, wenn die Menschen nicht die nötige Kaufkraft haben“, so Kesiciler: „Die Preise sind hoch, die Gehälter der Menschen reichen nicht aus, die Kosten der Produzenten sind gestiegen, dadurch stehen auch wir vor wachsenden Problemen. Der Markthandel ist ein schwindender Beruf. Wir sind eine Berufsgruppe, die die einfache, ärmere Bevölkerung anspricht. Durch die steigende Inflation und die Produktionsbedingungen hierzulande gibt es keine Möglichkeit, dass irgendwas günstiger werden könnte. Die Tatsache, dass Tomaten, die vor einem Monat 25 Lira kosteten, jetzt 15 Lira kosten, ist eine saisonbedingte Preisschwankung, aber wenn wir den Preis mit dieser Zeit im letzten Jahr vergleichen, ist er um 200 Prozent gestiegen.“

Die wahren Gründe für die Krise werden nicht benannt

Die Wirtschaftskrise könne nicht einfach gelöst werden. Vor allem müssten die Ursachen der Krise der Öffentlichkeit erklärt werden. „Wer hat 7.000 Dollar pro Person und Jahr? Manche haben eine Million Dollar, manche gar nichts ... Ungerechtigkeit gibt es in vielen Bereichen, sie zeigt sich auch in der Einkommensverteilung“, betont Kesiciler. „Die Regierung gewöhnte die Gesellschaft an Almosen. 15 Prozent der Menschen in der Türkei leben von Sozialleistungen. Daher fühlt sich das Volk abhängig von der Regierung. 15 bis 20 Prozent der Stimmen der AKP stammen von Menschen, die unter der Armutsgrenze leben. Einige von ihnen wählen sie aus Profitstreben. Die Existenz von Hunger und Armut ist ein Zeichen des schlechten Regierens. In einem Land, in dem es Frieden, Demokratie und Gerechtigkeit gibt, wird es keine Krise geben.“

Aufgrund hoher Produktionskosten können die Preise nicht sinken

Keseciler gibt an, dass er wie viele andere durch seine Arbeit seinen Lebensunterhalt zu sichern versucht. Es sei falsch, Schuldige zu präsentieren, ohne der Ursache des Problems auf den Grund zu gehen: „Wenn die Festkosten der Markthändler wie Miete, Transport und Arbeitsmittel einbezogen werden, können die Waren nicht unterhalb dieser Preise verkauft werden. Ökonomen berichten theoretisch von ihren Schreibtischen aus. Haben sie denn schon einmal zwei Kilo Tomaten gekauft und verkauft? Die Regierung sucht nur nach Sündenböcken. Eine Zeit lang beschuldigte sie die Händler und es wurden Verkaufsstellen mit durch die Regierung regulierten Preisen eröffnet, in dieser Zeit beschuldigte sie die Ladenbesitzer. Jetzt will sie ein neues ‚Großhandelsgesetz‘ herausbringen. Wie beschrieben, haben die Preise keine Chance zu fallen, im Gegenteil, sie können nur steigen. Während jetzt die Möglichkeit besteht, Waren direkt vom Erzeuger zum Verbraucher zu bringen, wird dann nur noch von Kommissionsstellen gekauft werden dürfen. Das fördert das Monopol. Daran sind diejenigen schuld, die die Wirtschaft leiten. Wenn die Herstellungskosten eines Produktes nicht gesenkt werden können, gibt es auch keine Möglichkeit, es günstig zu verkaufen.“

Die Wirtschaftspolitik muss sich ändern

Kesiciler weist darauf hin, dass er vor der Krise das Doppelte eines Beamtengehalts verdient hätte. Unter den derzeitigen Bedingungen sei es jedoch sehr schwierig, Geld zu verdienen. „Die Agrarpolitik muss sich ändern. Entweder erhöhen sie das Einkommen der Käufer oder sie unterstützen die Produzenten durch Subventionen und senken so den Preis. Alles andere ist sinnlos. Die Kaufkraft der Menschen muss gesteigert werden. Dieses Land braucht dringend Veränderungen, aber Gerechtigkeit wird am dringendsten benötigt. Gerechtigkeit wird in allen Bereichen des Lebens benötigt, sei es auf zwischenmenschlicher Ebene oder bei der Einkommensverteilung.“