Die arabischen Alevit*innen und die HDP

Arabische Alevit*innen werden seit Jahren in der Türkei verleugnet und diskriminiert. Nun hat die HDP in Hatay den arabisch-alevitischen Kandidaten Barış Atay aufgestellt.

Der Rat der arabischen Alevit*innen in Istanbul wurde in einer Zeit gegründet, in der der syrische Bürgerkrieg begann und die Gezi-Proteste stattfanden. Das Hauptziel des Rates, der vor allem kulturelle Aktivitäten und Aktivitäten in den sozialen Medien durchführt, ist aktiv etwas gegen die seit Jahren andauernde Assimilationspolitik zu tun. Der Rat hat keinen Vorstand und richtet sich gegen jede Form der Hierarchie, jedes Mitglied wird als Initiativkraft angesehen. Der Verein arbeitet auch in den Städten Hatay und Antakya.

Wir sprechen mit Ufuk Sultanoğlu vom Rat der arabischen Alevit*innen in Istanbul über die Gründungsphase des Vereins und fragen ihn nach dem HDP-Kandidaten von Hatay, Barış Atay.

Arabische Alevit*innen werden missachtet

Wie hat sich der Rat der arabischen Alevit*innen von Istanbul gegründet und warum ist ein solcher Rat notwendig?

Wir leben in der Türkei und wenn man in der Türkei mit seiner eigenen Identität, mit seiner eigenen Besonderheit lebt, dann ist das sehr schwer. Denn dann wird man missachtet, dann wird man verleugnet und wenn sich die Gelegenheit ergibt, dann wird man auch ermordet. Wir haben die Notwendigkeit verspürt einen solchen Rat zu gründen, weil wir diese Realität insbesondere mit dem Syrienkrieg und der türkischen Interventionen in Syrien, wie der Finanzierung der Dschihadisten, gesehen haben. Auch das, was in Gezi passiert ist, und welchen Preis wir dabei gezahlt haben, spielte eine Rolle. Sie wissen ja, eine der Städte, in denen die Gezi-Proteste nicht beendet worden sind, ist Antakya und dort lebt das arabisch-alevitische Volk. Zu dieser Zeit warfen sich Fragen auf, was soll nun werden? Wohin steuern wir? Auf der Suche nach Antworten auf diese Fragen haben wir den arabisch-alevitischen Rat gegründet. Um diese Arbeit auch in Istanbul ins Laufen zu bringen, haben wir uns dort ebenfalls zusammengefunden.

Unser Rat braucht Unterstützung gegen die kulturelle Vernichtung

Warum ist eine Organisierung für Sie wichtigP Konnten Sie sich auch in Istanbul organisieren?

Unsere Organisierung gründet auf die Realisierung einer kulturellen Identität, auf den historischen Begebenheiten, die wir erlebt haben, auf den Festen und Aktivitäten, die wir organisieren. Unser Nachteil ist, dass die arabisch-alevitische Bevölkerung sehr zerstreut lebt. Natürlich, in den Städten im Süden ist das etwas leichter, unsere Organisierung in Istanbul ist etwas schwierig.

Warum sollten sich arabische Alevit*innen diesem Rat anschließen?

In der Türkei schreitet die Zeit sehr schnell voran, das liegt an der politischen Atmosphäre. Es ändert sich alles über Nacht. In diesem Sinne wissen wir, warum die Menschen nicht zu uns kommen. Sie haben Angst vor einer Politisierung. Denn es wurde ein Klima der Angst und eine Doktrin des Schocks geschaffen. Das betrifft nicht nur die arabisch-alevitische Organisierung, sondern zeigt sich in allen Bereichen. Die arabischen Alevit*innen haben eine Kultur und sehr wichtige Traditionen wie auch die anderen Völker, sie zu verlieren bedeutet, die arabischen Alevit*innen zu verlieren. In diesem Sinne ist es wichtig, gegen diese kulturelle Vernichtung Widerstand zu leisten und dafür braucht es Räte.

Der Staat gibt uns keine Möglichkeit unsere Identität auszuleben

Der türkische Staat wendet gegen die Araber*innen auch eine Assimilationspolitik wie gegen die anderen Völker an, aber hier kommt ja auch der Alevismus ins Spiel. Auf welche Weise werden die arabischen Alevit*innen zu Opfern der Assimilation?

Wie bei den kurdischen Alevit*innen auch, betrifft das zunächst einmal den Religionsunterricht an den Schulen. Ich zum Beispiel habe in der zweiten Klasse an der Grundschule lesen und schreiben und mit Gewalt türkisch lernen müssen. Natürlich, heute ist das nicht mehr so und die Menschen können sich ausdrücken. Der Staat benutzt die Gewalt nicht mehr so wie in der Vergangenheit, aber es gibt auch eine Realität, die dem gegenübersteht; es gibt Assimilation in der Bildung. Es wird keine Repression, keine Gewalt, keine Massaker angewendet, aber es gibt auf der anderen Seite die Realität, dass es gegenüber den arabischen Alevit*innen im Bereich Bildung keinerlei Akzeptanz ihrer Identität, ja nicht einmal eine Anerkennung ihrer Identität gibt. Das betrifft nicht nur die arabischen Alevit*innen. Jeder, jedes Volk, das in diesem Land als „anders“ definiert wird, erfährt diesen Schmerz.

Ist Barış Atay für die arabischen Alevit*innen die richtige Entscheidung?

Die HDP hat den Schauspieler Barış Atay als Kandidaten für Hatay aufgestellt Was denken Sie dazu?

Wir verfolgen die politische Persönlichkeit Atays sowieso sehr genau. Das gilt nicht nur für die arabischen Aleviten. Aber Barış Atay hat selbst eine arabisch-alevitische Identität und das ist für uns eine große Freude. Er ist ein widerständiger Mensch und für uns ein würdiger Kandidat. Natürlich werden wir ihn unterstützen und rufen dazu auf jeden Fall auf. Barış Atay für die arabischen Alevit*innen aufzustellen, war die richtige Entscheidung.

Es war immer unsere Forderung, einen eigenen Kandidaten zu bekommen

Werden die arabischen Alevit*innen in Hatay Atay unterstützen? Was sind ihre Beobachtungen?

Natürlich wird es keine absolute Unterstützung geben, denn unter den arabischen Alevit*innen gibt es einen starken kemalistischen Einfluss. Deshalb wird das Zusammenkommen mit dem kurdischen Volk nicht so stark sein wie wir uns das wünschen, aber wir werden als oppositionelle arabische Alevit*innen alles tun, was in unserer Macht steht. Unsere Mitglieder aus dem Rat werden für die Wahl von Barış Atay arbeiten.

Glauben Sie, dass ein arabisch-alevitischer Kandidat einen Vorteil in Hatay hat?

Natürlich gibt es große Vorteile. Seit Jahren werden wir missachtet, verleugnet. Es war schon immer unsere Forderung, dass jemand von unserer Identität, mit unseren Ideen, aufgestellt wird. Dass Barış Atay in unserem Namen antritt, wird entsprechend erwidert werden.

Wir werden uns nicht beugen und unterstützen HDP

Warum unterstützen arabische Alevit*innen die HDP?

In der aktuellen Phase sind wir davon überzeugt, dass es das Richtigste ist, die HDP zu unterstützen. Natürlich haben wir unsere Kritik. Wenn es sein sollte, dass die AKP wiedergewinnt, dann werden die arabischen Alevit*innen, wie immer, auf die Straße gehen. Die arabisch-alevitische Jugend wird sich nicht beugen und wird ihre Organisierung unter jeder Bedingung fortsetzen. Die Organisierung, insbesondere in den Gebieten mit einer starken arabisch-alevitischen Bevölkerung, geht in den Viertelräten und Volksräten weiter. In Istanbul und in den anderen großen Städten gründen wir auch Stadträte und unterstützen die HDP.