„Deutsche Justiz macht sich zum Handlanger von Erdoğan“

Nach mehr als vier Jahren endete der Münchner „Kommunistenprozess” heute mit Haftstrafen für alle zehn Angeklagten, obwohl ihnen in Deutschland keine Staftaten vorgeworfen werden. Politiker*innen und Aktivist*innen sind empört.

Nach mehr als vier Jahren endete am Dienstag vor dem Oberlandesgericht (OLG) in München der sogenannte „Kommunistenprozess”. Angeklagt waren neun Männer und eine Frau wegen der Mitgliedschaft in der „Kommunistischen Partei der Türkei/ Marxistisch-Leninistisch“ (TKP/ML). Sie sollen das Auslandskomitee der Organisation gebildet haben, die in Deutschland nicht verboten ist.

Die Angeklagten wurden alle im Jahr 2015 festgenommen und befanden sich mehrere Jahre in Untersuchungshaft. Im Lauf des Verfahrens kamen alle auf freien Fuß – bis auf den Hauptangeklagten Müslüm Elma. Der Strafrahmen zwischen knapp drei und sechseinhalb Jahren für den Vorwurf gegen sie blieb meist nur geringfügig unter den skandalösen Forderungen des Generalbundesanwalts.

Bundesweit hat das Urteil bereits schon jetzt für eine Woge der Empörung gesorgt. Die migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag Gökay Akbulut erklärte, die hiesige Justiz mache sich zum „Handlanger des antidemokratischen Regimes von Erdoğan”. Bei dem Verfahren handele es sich um einen „Schauprozess”, um die Erwartungen der türkischen Regierung zu erfüllen, juristisch gegen Oppositionelle im europäischen Exil vorzugehen. „Die TKP/ML ist zwar in der Türkei verboten, in Deutschland und überall sonst aber nicht.”  Um die Verfolgung der Aktivist*innen überhaupt zu ermöglichen, musste das Justizministerium eine eigene Verfolgungsermächtigung ausstellen, die eine Kriminalisierung nach Paragraf 129b zulässt.

Rechtsstaatlicher Schaden enorm

„Deutschland darf sich nicht zum Handlanger eines Regimes machen, dass nicht nur völkerrechtswidrige Angriffe in Syrien und Nordirak durchführt sondern auch innerhalb der Türkei antidemokratisch gegen Oppositionelle vorgeht, in dem es beispielsweise gewählte Bürgermeister einfach absetzt”, sagte Akbulut. Es sei schockierend, dass die Haftstrafen so hoch ausgefallen sind, obwohl sich der Prozess im Wesentlichen auf Ermittlungen aus der Türkei stützt, wo überhaupt keine rechtsstaatlichen Grundsätze gelten würden, wenn es gegen Andersdenkende gehe. „Es ist ein Skandal, dass Deutschland sich daran auch noch beteiligt”, so Akbulut. Der rechtsstaatliche Schaden sei jetzt enorm und der Vertrauensverlust in die Justiz von Personen, die sich hier in Deutschland im Exil befinden, groß. „Im Ergebnis ist der Prozess eine Ermutigung für die türkische Regierung, weiter mit harter Hand gegen die kurdische und linke Opposition vorzugehen.”

Rote Hilfe: Politische Gesinnungsjustiz

Der Bundesverband der Roten Hilfe fand ebenfalls deutliche Worte für das Urteil im Münchner „Kommunistenprozess“. Mit dem Urteil sei ein weiteres Mal negative Rechtsgeschichte geschrieben worden. „Dieser gesamte Prozess und die Urteile sind Ausdruck einer politischen Gesinnungsjustiz, die sich für Nichts zu schade ist, wenn es darum geht, linke Aktivist*innen zu verfolgen und Ankaras Wünsche zu erfüllen“, kritisierte die Gefangenensolidaritätsorganisation.