Die Bundesregierung will Hinweise über einen Aufruf zu einer Aktion „Menschlicher Schutzschilde” der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) haben, mit denen sie die verhinderte Ausreise von Friedensdelegierten nach Südkurdistan begründet. Das geht aus der Antwort des Innenministeriums auf eine mündliche Frage der innenpolitischen Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, hervor. Aus welcher Quelle die Informationen stammen sollen, das sagt die Bundesregierung nicht.
Am 12. Juni hatte die Bundespolizei 15 Mitgliedern der international aufgestellten „Delegation für Frieden und Freiheit in Kurdistan“ am Flughafen Düsseldorf untersagt, nach Hewlêr (Erbil) auszureisen. Vier weiteren Delegierten wurde dies zwar nicht verboten, allerdings verpassten sie wegen der Kontrolle den Flug. Darunter war auch die Ko-Vorsitzende der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, Cansu Özdemir.
Ein der PKK „zugeschriebener” Aufruf
Ulla Jelpke wollte wissen, welche konkreten Erkenntnisse aus welchen Quellen der Bundesregierung über die Absichten der Delegationsmitglieder vorliegen, die eine längerfristige Ausreiseuntersagung durch die Bundespolizei bzw. Maßnahmen, die dafür gesorgt haben, dass die gebuchte Flugverbindung nicht wahrgenommen werden konnte, rechtfertigten. Das Bundesinnenministerium verweist in der Antwort auf Jelpkes Frage auf „Informationen über einer Aufruf zur Reise in das irakisch-türkische Grenzgebiet” für die Teilnahme an einer „propagierten Aktion ‚Menschlicher Schutzschilde‘“, die der PKK zugeschrieben werde. „Im Zuge der standardisierten Auswertung von Passagierdaten für den Flug von Düsseldorf – Erbil/Irak am 12. Juni 2021 wurden Personen durch die Bundespolizei erkannt, zu denen in den nationalen Fahndungsbeständen und im Schengener Informationssystem staatsschutzrelevante Informationen vorlagen. Im Rahmen der Ausreisekontrolle des oben genannten Fluges stellten Beamte der Bundespolizei insgesamt 19 Personen fest, bei denen ein Zusammenhang mit der Aktion der PKK anzunehmen war.”
Jelpke: Dschihadisten reisen ohne Probleme, Friedensaktivisten werden drangsaliert
Ulla Jelpke ist empört. „Während hunderte Dschihadisten in den vergangenen Jahren ohne Probleme von Deutschland aus in den Nahen Osten reisen konnten, um sich dort Terrorgruppen wie dem Islamischen Staat anzuschließen, werden Friedensaktivisten bei der Aus- und Einreise von der Bundespolizei drangsaliert”, kritisiert die Abgeordnete. Mit der Ausreiseverweigerung für Mitglieder der Friedensdelegation nach Südkurdistan habe sich die Bundesregierung einmal mehr „an die Seite der Kriegspolitik ihres NATO-Partners Türkei gestellt”.
Trübe Quellen aus dem Umfeld des türkischen Geheimdienstes?
Der Vorwurf, die Delegierten hätten an einer Aktion „Menschliche Schutzschilde“ teilnehmen wollen, erscheint Jelpke „an den Haaren herbeigezogen”. Dies sei auch in den vergangenen Tagen deutlich geworden, als diejenigen Friedensaktivist:innen, die es bis Kurdistan geschafft hatten, dort zwar zahlreiche Gespräche mit Vertreter:innen von Parteien und Zivilorganisationen geführt hatten, aber aus Sicherheitsgründen die Kampfgebiete mieden. „Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie ihre diesbezüglichen Informationen öffentlich macht. Denn der Verdacht, dass hier trübe Quellen aus dem Umfeld des türkischen Geheimdienstes als Rechtfertigung für das willkürliche Vorgehen der Bundespolizei gegen die Friedensdelegation herangezogen wurden, steht im Raum”, so Jelpke.
Causa Cansu Özdemir
Laut dem Bundesinnenministerium sei die Entscheidung, den betroffenen Personen die Ausreise nach Hewlêr zu untersagen, durch die Bundespolizei „nach Prüfung des jeweiligen Einzelfalls unter Einbeziehung aller verfügbaren Informationen im Zusammenhang mit der Aktion ‚Menschliche Schutzschilde’ erfolgt”. Zur Causa Cansu Özdemir heißt es wieder, die Hamburger Politikerin hätte sich nicht als Mandatsträgerin zu erkennen gegeben. Fast wortgleich klingt die Antwort auf eine mündliche Frage der linken Bundestagsabgeordneten Gökay Akbulut. Die untersagte Ausreise sei „auf Grundlage des Passgesetzes” erfolgt, die getroffenen Maßnahmen „sind seitens der Bundesregierung nach den hier vorliegenden Erkenntnissen nicht zu beanstanden”. Akbulut wollte ebenfalls wissen, inwieweit es eine Kommunikation zwischen deutschen und türkischen Behörden hinsichtlich der Delegationsreise gab. Laut Bundesinnenministerium hätte es keinen Informationsaustausch gegeben.
Nicht Friedensinitiative, sondern völkerrechtswidriger Einmarsch kriminell
Ulla Jelpke ist entrüstet über die Kriminalisierung der Friedensinitiative: „Nicht der Einsatz für den Frieden ist kriminell. Kriminell sei vielmehr der völkerrechtswidrige Einmarsch der Türkei in die Kurdistan-Region, kriminell ist der Einsatz international geächteter chemischer Kampfstoffe durch die türkische Armee gegen die Guerilla, kriminell ist die Vertreibung kurdischer und christlicher Zivilisten in Folge der Bombardierung ihrer Dörfer und Felder, kriminell sind die Drohnenmorde der Türkei tief im Landesinneren.”
Festnahmen am Frankfurter Flughafen „Skandal”
Der Einsatz für den Frieden und der Protest gegen den türkischen Angriffskrieg seien dagegen „legitim und notwendig”. Dass nun auch einige derjenigen Friedensaktivist:innen, die es bis Kurdistan geschafft haben, nach ihrer Rückkehr am Frankfurter Flughafen von der Polizei festgehalten und verhört wurden, ist für Jelpke ein „Skandal”.