Der Ko-Vorsitzende der HDP, Pervin Buldan, fordert nach der Erdbebenkatastrophe in der Türkei den Rücktritt von Präsident Tayyip Erdogan. Die kurdische Politikerin besuchte heute mit weiteren Abgeordneten die Erdbebenopfer in Markaz (tr. Pazarcik) in der Provinz Gurgum (Maraş), dem Epizentrum des Erdbebens vom 6. Februar, und beteiligte sich an der Verteilung von Hilfsgütern. Die Erdbebenhilfe der HDP und anderer oppositioneller Organisationen wird seit Tagen systematisch vom Staat behindert, in Markaz wurde am Mittwoch ein gemeinschaftlich von der HDP und lokalen Vereinigungen errichtetes Krisenkoordinationszentrum vom Militär besetzt und unter staatliche Aufsicht gestellt.
Buldan erklärte, dass die Solidaritätsarbeit der HDP trotz staatlicher Blockade ohne Unterbrechung fortgesetzt wird. „Wir können diese Wunden gemeinsam heilen, wir können durch Solidarität die Mittel schaffen, um den Frieden in der Türkei zu sichern“, sagte die HDP-Vorsitzende. Ihre Partei sei seit dem Erdbeben mit Tausenden Freiwilligen im Einsatz, um den Betroffenen beizustehen: „Wir haben ihnen Hilfe geleistet, wir haben versucht, die Wunden gemeinsam zu heilen. Wir haben uns mobilisiert, um Menschen unter den Trümmern zu retten. Diese Solidarität und Einheit geht weiter."
„Das Konzept der Zwangsverwaltung ist in diesem Land nicht neu“
Weiter sagte Pervin Buldan: „Sowohl die Bevölkerung von Pazarcik als auch unsere Partei haben zusammen mit Nichtregierungsorganisationen und Berufsverbänden Materialien in einem Lagerhaus gesammelt. Die mit Lastwagen angelieferten Hilfsgüter wurden dort ausgeladen und dann auf alle Dörfer verteilt. Es gab eine Möglichkeit, alle Materialien an die Menschen in den Dörfern zu verteilen. Das war wirkliche Solidarität. Es war eine Mobilisierung, um gemeinsam die Wunden zu heilen. Gestern Abend hat der Bezirksgouverneur die Hilfsgüter auf Anweisung von oben beschlagnahmt und usurpiert. Um Solidarität und Zusammenhalt zu verhindern, wurde das Gebäude beschlagnahmt und Zwangsverwalter eingesetzt. Das Konzept der Zwangsverwaltung ist in diesem Land nicht neu. Seit dem Tag, an dem in unseren Gemeinden die gewählten Bürgermeisterinnen und Bürgermeister durch Zwangsverwalter ersetzt wurden, hat die AKP/MHP-Regierung dieses Konzept in der ganzen Türkei verbreitet."
Wie Buldan weiter erklärte, gibt es nur noch sechs von der HDP regierte Gemeinden in der Türkei. Alle anderen Städte und Gemeinden, in denen die HDP die Kommunalwahlen gewonnen hatte, stehen unter staatlicher Zwangsverwaltung. „Wenn unsere Bürgermeisterinnen und Bürgermeister heute nicht im Gefängnis säßen, hätte unser Volk nicht so viele Opfer zu beklagen. Alle unsere Gemeinden wären mobilisiert worden“, betonte die HDP-Vorsitzende.
Aufforderung zum Rücktritt
Buldan teilte mit, dass sie mit einem Hilfstransporter gekommen sei und dies auch in Zukunft tun werde: „Wenn versucht wird, uns daran hindern, dann werden wir Wege finden, die Hilfe für unser Volk zu unseren eigenen Bedingungen zu leisten.“ In jedem anderen Land auf der Welt wäre die Regierung nach einer solchen Katastrophe zurückgetreten, sagte Buldan und forderte den Präsidenten und sein Kabinett zum Rücktritt auf: „Wenn diese Regierung ein Gewissen hätte, wäre sie spätestens am zweiten Tag zurückgetreten. Sie haben jedoch nicht das Gesicht, um zurückzutreten, und ein Gewissen haben sie auch nicht.“
Zahl der Toten steigt auf mehr als 42.000
Zehn Tage nach den heftigen Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet ist die offizielle Zahl der Toten auf mehr als 42.000 gestiegen. In der Türkei kamen laut dem Katastrophendienst AFAD etwa 36.200 Menschen ums Leben. Aus Syrien meldete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zuletzt rund 6.000 Tote.