Kurd:innen und Oppositionellen aus der Türkei wird in vielen Fällen kein Asylstatus in Österreich zuerkannt. Dagegen hat eine Bürgerinitiative eine Petition gestartet, die am 20. September im Nationalrat eingereicht wurde und am 5. Oktober im Ausschuss behandelt werden soll. Eine Entscheidung wird für Dezember erwartet. Die Kampagne „Politisches Asyl ist Menschenrecht - Die Türkei ist kein sicheres Herkunftsland“ wird von vielen Prominenten unterstützt.
In der Petition heißt es:
„Personen, die aus Gründen ihrer politischen Überzeugung oder ethnischen Identität verfolgt werden, ist laut Genfer Flüchtlingskonvention Asyl zu gewähren. Mit Sorge beobachten wir jedoch, dass Kurd:innen und Oppositionellen aus der Türkei derzeit in vielen Fällen der gebotene internationale Schutz in Österreich nicht zuerkannt wird.
Bei Rückkehr drohen ihnen sowohl Folter als auch Inhaftierungen und unmenschliche und erniedrigende Behandlungen. Die mangelnde Rechtsstaatlichkeit in Zusammenhang mit horrenden Menschenrechtsverletzungen wird von internationalen Organisationen regelmäßig festgestellt und ist international bekannt. Dennoch setzen sich die österreichischen Asylbehörden damit regelmäßig nicht ausreichend auseinander und erkennen in Folge keine asylrelevante Verfolgung in den Maßnahmen der türkischen Behörden.
Durch unsere Bürgerinitiative wollen wir aufzeigen, inwiefern auch die Bürger:innen Österreichs diese Entscheidungen keineswegs verstehen können, da es an einer faktenbasierten Grundlage fehlt.
Wir fordern internationalen Schutz und in Folge einen sofortigen Abschiebestopp für betroffene Personen in Österreich sowie eine umgehende Neubewertung der Türkei als Herkunftsland unter ernsthafter Berücksichtigung der aktuellen politischen und humanitären Lage vor Ort, insbesondere in den kurdischen Regionen sowie für kurdische Aktivist:innen. Österreich darf nicht zum Handlanger Erdogans Assimilations- und Kriegspolitik gegen Kurd:innen im Allgemeinen und politische Aktivist:innen im Besonderen werden.“
Unterstützung aus Politik und Kultur
Unter den Erstunterzeichner:innen finden sich viele bekannte Menschen aus der politischen und kulturellen Landschaft Österreichs. Der Delegationsleiter der SPÖ im EU-Parlament, Andreas Schieder, beobachtet mit großer Sorge die gefährlichen Entwicklungen in Bezug auf Demokratie, Menschenrechte und Grundfreiheiten in der Türkei und erklärt: „Vor allem die Kurd:innen sind von Erdogans Politik stark betroffen, da Grund-, Freiheits- und Menschenrechte nicht respektiert, sondern ausgehebelt werden. Die Lage vor Ort, insbesondere in den kurdischen Gebieten und für das kurdische Volk, ist gefährlich. Daher bin ich der Meinung, dass es einen sofortigen Abschiebestopp von Österreich in die Türkei für die betroffenen Kurd:innen in Österreich geben muss. Auch eine Neubewertung der Türkei als sicheres Herkunftsland ist dringend notwendig.“
Andreas Schieder (m.) bereiste im vergangenen November mit weiteren Mitgliedern der Kurdischen Freundschaftsgruppe im Europaparlament die Autonomieregion Nord- und Ostsyrien und führte Gespräche mit der Selbstverwaltung © ANHA
Berîvan Aslan, Abgeordnete der Grünen im Wiener Landtag, betont: „Menschen, die ihr Leben der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und den Grundrechten gewidmet haben, um den kommenden Generationen ein Leben in Würde zu hinterlassen, sind nicht umsonst geflüchtet und zur Zielscheibe demokratiefeindlicher Köpfen geworden. Mit dieser menschenunwürdigen Abschiebepraxis akzeptieren und legitimieren sie die menschenverachtende Politik der Erdogan-Regierung!"
„Österreich muss sich an die Genfer Flüchtlingskonvention halten“
Die Journalistin und Schriftstellerin Susanne Scholl findet es „unmenschlich, Menschen dorthin zurück zu schicken, wo sie verfolgt wurden und werden. Österreich hat eine dunkle Geschichte, die uns ganz besonders verpflichtet die Menschenrechte zu wahren und zu schützen. Abschiebungen widersprechen den Menschenrechten!“
Die SPÖ-Nationalratsabgeordnete Katharina Kucharowits sagt: „Kurd:innen und Oppositionellen droht in der Türkei Verhaftung und Folter. Menschen davor zu schützen, ist eine menschliche und menschenrechtliche Verantwortung. Ich unterstütze deshalb die Forderung eines Abschiebestopps in die Türkei sowie die neuerliche Prüfung, ob die Türkei ein sicheres Herkunftsland ist.“
Nationalratsabgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ) © Thomas Lukaschitz
Auch die Regisseurin Katharina Mückstein unterstützt die Forderung, Abschiebungen politisch verfolgter Kurd:innen in die Türkei sofort zu stoppen: „Die österreichische Bundesregierung muss sich an die Genfer Flüchtlingskonvention halten und Leben sowie Meinungsfreiheit der Betroffenen schützen.“
Systematische Unterdrückung, Verfolgung, Politjustiz und Folter
Der Autor Gerhard Ruiss erklärt: „In der Türkei findet sich, ausgenommen Todesstrafe, alles, was einen autoritären Staat ausmacht: Systematische Unterdrückung von Minderheiten, Verfolgung von Abweichungen, willkürliche Verhaftungen, Politjustiz, Folter, Ermordungen. Dass es noch schlimmer sein kann und woanders noch schlimmer ist, ist kein Entlastungsgrund. Für diejenigen, die davon betroffen sind, macht es keinen Unterschied, ob die Verhältnisse für von autoritären Regierungen Verfolgte woanders noch ärgere Ausmaße haben. Wie kann ein solches Land, in dem all das geschieht, ein sicheres Herkunftsland für die aus seinen Fängen geflohenen Oppositionellen sein?“
Schutz der Menschenrechte als moralische Verantwortung
Die Journalistin, Autorin und Aktivistin Berfîn Marx sagt: „In der Diaspora erfahren Kurd:innen eine erhebliche Diskriminierung und Marginalisierung, und es ist unsere moralische Verantwortung, ihre grundlegenden Menschenrechte zu schützen. In der Türkei sind sie aufgrund ihrer politischen Überzeugungen oder ethnischen Identität Verfolgung ausgesetzt, und gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention sollten sie Asyl erhalten. Wir dürfen nicht zulassen, dass Kurd:innen in Österreich weiterhin Gefahr laufen, abgeschoben zu werden, obwohl sie in der Türkei politisch aktiv waren und dort Verfolgung erleben. Die Praxis, Anträge kurdischer und anderer oppositioneller Aktivist:innen systematisch abzulehnen, muss dringend überdacht werden. Ich rufe dazu auf, den internationalen Flüchtlingsschutz zu wahren, wie er in der Verfassung verankert ist. Österreich darf nicht zur Komplizenschaft bei der Verletzung des Rechts auf politisches Asyl werden.“
Der Schriftsteller und Historiker Doron Rabinovici erklärt: „Sich zu den Menschenrechten zu bekennen, bedeutet nicht nur, sie auf dem eigenen Staatsgebiet einzuhalten. Die UN-Antifolterkonvention unterzeichnet zu haben, bedeutet für Österreich nicht bloß, selbst keine Folter auszuüben. Wir sind verpflichtet die Tortur nicht fortzusetzen, indem wir gemeinsame Sache machen mit jenen, die in anderen Ländern – etwa in der Türkei – Folter einsetzen, um Oppositionelle zu verfolgen. Das Recht auf Asyl ist die letzte Sicherheitsgarantie menschlichen Seins.“