Boykott-Aktion zur Hamburger Reisemesse

In Diktaturen macht man keinen Urlaub, meinen Hamburger Aktivist*innen und wollen ab Freitag auf der Reisemesse präsent sein, um zum Boykott des Türkei-Tourismus aufzurufen. Im ANF-Interview äußern sie sich zu der Kampagne und ihren Beweggründen.

Die türkische Tourismusbranche erwirtschaftet Milliardengewinne, dem diktatorischen Regime und dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in Nordsyrien zum Trotz. Grund genug für das Hamburger Komitee der Kampagne Women Defend Rojava gemeinsam mit Tatort Kurdistan Hamburg und Rise Up For Rojava Hamburg, vom 7. bis zum 9. Februar bei der Hamburger Reisemesse präsent zu sein.

Die Aktivistinnen von Women Defend Rojava haben sich im ANF-Interview zur Boykottkampagne und ihren Beweggründen geäußert.

Warum ruft ihr im Rahmen der Reisemesse in Hamburg zum Boykott der Türkei auf?

Auf der einen Seite ist es klar der Versuch, einen wichtigen Teil des milliardenschweren türkischen  Geschäftsimperiums, das von Massakern, Autoritarismus und Einschüchterung profitiert, wirtschaftlich zu stören. Es geht aber auch um eine ethische Haltung gegen die Ausbeutung, Terrorisierung und Vernichtung von Menschen und Ideen, die nicht ins Weltbild des türkischen Regimes passen. Für uns ist ganz klar: In Diktaturen macht man keinen Urlaub. Und wir glauben, dass viele Menschen unserer Meinung sind. Im Alltagsbetrieb der Tourismusbranche spielt es aber überhaupt keine Rolle, in welche Taschen das Geld der Urlauber*innen fließt. Die Türkei zu boykottieren bedeutet deswegen auch ein kritisches Hinterfragen und Nein zu sagen zur Normalisierung der Diktatur und der Politik des Völkermords.

Von wem gehen die Aktionen aus, wer seid ihr?

Wir sind das Women Defend Rojava-Komitee Hamburg. Gegründet haben wir uns kurz nach Beginn des Angriffskrieges am 9. Oktober 2019, dem Aufruf der kurdischen Frauenbewegung folgend. Seither haben wir viele Aktionen in Hamburg gemacht, um auf diesen Krieg und was er zerstören will aufmerksam zu machen, zu informieren, zu stören.

Die Boykott-Aktion steht aber auch in weiteren Zusammenhängen. Denn genau wie es mittlerweile überall auf der Welt Women Defend Rojava-Komitees gibt, laufen auch die Boykott-Aktionen im Rahmen der internationalen Kampagne Boycott Turkey. Leider gibt es viele Gründe für eine solche Kampagne: Die Waffenindustrie, der Tourismus, kultureller und akademischer Austausch, der Import türkischer Produkte – überall wird Geld in die Taschen eines faschistischen Regimes gespült, das mal mehr, mal weniger direkt weiterfließt in Krieg und Zerstörung. Wir sind uns bewusst, dass Boykott eine diskutierte Aktionsform ist. Doch so wie Boykotte weite Teile der Zivilbevölkerung treffen können, treffen die Bomben der türkischen Armee unschuldige Menschen in Nordsyrien. Das Gegenargument ist zu schwach, um das eigene Profitieren von günstigen Reiseangeboten zu rechtfertigen. Gerade der Boykott von Reisen und importierten Gütern ist einfach umzusetzen und gleichzeitig sehr wirkungsvoll, da er dem Faschismus die Mittel kürzt und die Basis einer stabilen Wirtschaft – unabdingbar auch für Erdoğan – ins Wanken bringt.

Welche Aktionen sind geplant?

Es wird Freitag, Samstag und Sonntag, je von 10 bis 18 Uhr, einen Informationsstand am Eingang Süd der Messe bei der Karolinenstraße geben, von dem aus regelmäßig Redebeiträge verlesen werden und wir hoffentlich mit vielen Menschen ins Gespräch kommen. Women Defend Rojava hat auch verschiedene Performances und Aktionen geplant. Freitag liegt der Schwerpunkt beim Thema Ökologie, Samstag steht im Zeichen des Feminismus, da heißt es FLINT* only. Und Sonntag wird es um Antimilitarismus gehen. Der Stand steht allen antifaschistischen, antikapitalistischen, ökologischen und feministischen Gruppen und Menschen offen, um eigene Inhalte zu transportieren, Redebeiträge zu lesen oder als Anlaufpunkt für eigene Aktionen. Natürlich können alle auch gerne vorbeikommen, um sich selbst zu informieren. Flugblätter zum Verteilen gibt es auch immer.

Warum die Trennung dieser Themen?

Es geht mehr darum, Schwerpunkte zu setzen, nicht um Trennung. Alle Themen werden immer präsent sein, denn Ökologie ist nicht ohne feministische Perspektiven zu denken, Antimilitarismus befasst sich auch mit den ökologischen Auswirkungen von Krieg und so weiter.

Vielmehr geht es uns um die Verbindung verschiedener Kämpfe. Ökologie, Feminismus, Antifaschismus, Antimilitarismus… Es sind verschiedene Themen mit jeweils eigener Bedeutung und Berechtigung, aber unsere Ziele vereinen uns. Es ist eine wichtige, wenn nicht die entscheidende Aufgabe der nächsten Jahre, mehr gemeinsame Logiken zu entwickeln, gemeinsame Strategien, eine gemeinsame Kraft. Bisher geschieht das noch viel zu wenig. Wir müssen uns kritisch anschauen und uns fragen, woran es hakt und wie es funktionieren kann, hier eine Alternative zu schaffen zum kriselnden kapitalistischen System und dem Erstarken des Faschismus. Die Reisemesse ist tatsächlich ein Ort, an dem all diese Fragen und Themen zusammenkommen und wir wollen versuchen, das zu nutzen.