Das Grenzregime der EU führt immer neue humanitäre Katastrophen herbei. Nach dem Brand und der folgenden Schließung des Lagers Lipa in Bosnien-Herzegowina befinden sich noch bis zu 1000 Menschen in Eiseskälte auf dem Gelände des ehemaligen Lagers. Humanitäre Organisationen berichten, dass es bereits Fälle von Erfrierungen und Unterkühlungen unter denjenigen gibt, die ohne Unterkunft zurückgelassen wurden.
„Wenn sie uns nicht helfen, werden wir sterben“
„Die noch vorhandenen Strukturen am Standort sind unsicher und einsturzgefährdet, da die Schneefälle anhalten", schrieb der Dänische Flüchtlingsrat in einer Erklärung am Wochenende: „Da es vor Ort keine Heizung gibt, werden von den dort Gestrandeten bereits Erfrierungen, Unterkühlungen und andere schwere Gesundheitsprobleme gemeldet.“ In der Erklärung, die auch vom UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, der Internationalen Organisation für Migration IOM, Save the Children und Médecins du Monde unterzeichnet wurde, wurden die Behörden in Bosnien und Herzegowina aufgefordert, „mit äußerster Dringlichkeit zu handeln“. Gegenüber SWR erklärte ein ehemaliger Bewohner des Camps: „Selbst Tiere leben besser als wir. Wenn sie uns nicht helfen, werden wir sterben."
Behörden wollen keine Lösungen präsentieren
Humanitäre Organisationen hatten zuvor die bosnischen Behörden gewarnt, dass Schutzsuchende erheblichen Risiken ausgesetzt seien, wenn nicht vor dem Winter eine angemessene Unterkunft gefunden werde. Die Behörden mauerten jedoch. So klagen die Hilfsorganisation, dass „bis jetzt keine Lösung, weder vorübergehend noch anderweitig, von den Behörden vorgeschlagen wurde“. Für eine alternative Unterbringung wurde nicht gesorgt. Die Regierung gab rassistischen Protesten in Bihac nach und zog eine Notunterbringung in der nahegelegenen Stadt zurück. Zusätzlich zu den 500 bis 1000 Menschen, die in Lipa festsitzen, leben schätzungsweise 2000 weitere in verlassenen Gebäuden und behelfsmäßigen Lagern in der Region.
Feuer während Räumung des Camps ausgebrochen
Das Lager Lipa war am 23. Dezember geräumt worden. Dabei brach ein Feuer aus. Die bosnische Regierung war zuvor nicht bereit und in der Lage gewesen, das Camp winterfest zu machen. Das Lager verfügte weder über Strom noch über eine Wasserversorgung.
Bosnien-Herzegowina: Vorfront der EU-Abschottung
Bosnien-Herzegowina liegt auf der sogenannten Balkanroute, über die Schutzsuchende versuchen, nach Europa zu gelangen. Mit Hilfe der EU-Agentur Frontex macht der angrenzende EU-Staat Kroatien jedoch dicht. Kroatien ist für seine illegalen Rückschiebungen und häufigen Übergriffe auf Schutzsuchende, die es doch über die bosnische Grenze schaffen, berüchtigt. Die EU lässt hier gravierende Völkerrechts- und Menschenrechtsverletzungen zu, um mit einer Drohkulisse Schutzsuchende davon abzuhalten, sich auf den Weg zu machen. Die Situation in Bosnien-Herzegowina ist ebenfalls Ausdruck dieser Politik.
Terre des Hommes: Hilfe wird in 2020 nicht nur unterlassen, sondern aktiv behindert
Die NGO Terre des Hommes kritisiert die Situation scharf und erklärt in Anspielung auf die Erklärungen deutscher Politiker, die Aufnahme von Schutzsuchenden wie 2015 dürfe nicht wiederholt werden: „Das Mantra ‚2015 darf sich nicht wiederholen‘ wirkt: Hilfe wird in 2020 nicht nur unterlassen, sondern aktiv behindert.“