BMI: Asylzahlen 2020 um ein Drittel gesunken

Nach Angaben des Bundesinnenministeriums ist die Zahl der Asylerstanträge im Jahr 2020 um 31,5 Prozent auf 76.061 Anträge gesunken. PRO ASYL fordert Evakuierung und Aufnahme aus den Elendslagern vor und an der EU-Grenze.

Die Zahl der Asylerstanträge in Deutschland ist auf einen Tiefstand gesunken. Die Zugangszahlen haben den Stand von 2012 erreicht und die Zahl der grenzüberschreitenden Asylerstanträge lag 2020 bei 76.061 und damit um 31,5 Prozent niedriger als im Vorjahr, erklärt das Bundesministerium des Innern. Diese Zahl steht im eklatanten Widerspruch zum Anstieg der Zahl der weltweiten Flüchtlinge auf 80 Millionen. Der Abfall der Zahlen liegt an der massiven Abschottungspolitik der EU im Jahr 2020.

Die Bundesregierung setzt alles daran, dass Menschen, die dringend Schutz benötigen, Deutschland nicht erreichen. Durch die Kooperation mit der libyschen Küstenwache und der systematischen Sabotage ziviler Rettungseinsätze wurden unzählige Schutzsuchende in den libyschen Bürgerkrieg und in dortige Folterlager zurückgeschleppt oder ertranken beim Versuch, das Mittelmeer zu überqueren. Das sogenannte Hotspot-System auf den griechischen Inseln ist spätestens seit dem Brand in Moria für alle sichtbar zu einem Exempel der Abschreckung geworden. Lager an der EU-Außengrenze wie in Lipa in Bosnien machen deutlich, wie menschenverachtend die EU-Politik ist, die das Erfrieren von Schutzsuchenden offensichtlich in Kauf nimmt.

PRO ASYL: Tolerierung dieses Menschenrechtsbruchs müssen aufhören.

„Deutschland hat Platz, die Bundesregierung muss sich ihrer humanitären und menschenrechtlichen Verantwortung stellen. Wir fordern Initiativen zur sofortigen Beendigung der illegalen Pushbacks durch Kroatien und Griechenland an der EU-Außengrenze. Das Totschweigen und die Tolerierung dieses Menschenrechtsbruchs müssen aufhören. Weder vor den Toren Europas in Bosnien noch in den Elendslagern in der EU wie auf Lesbos und anderen griechischen Inseln gibt es eine Perspektive auf Schutz und Asyl. Deutschland muss mit der portugiesischen Ratspräsidentschaft aktiv werden und selbst vorangehen: Evakuierung, Aufnahme und Gewährleistung des Zugangs zum Asylverfahren in der EU ist das Gebot der Stunde. Die Bundesregierung muss handeln“, fordert Günter Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl.

Zugangszahlen sinken dramatisch

Die geringen Zugangszahlen nach Deutschland sind eine Folge der rigorosen Grenzabriegelung Europas. Die griechisch-türkische Landgrenze, die ungarische und die kroatische EU-Außengrenzen sind systematisch abgeriegelt; Schutzsuchende sitzen in Bosnien im Elend und Winter unter Lebensgefahr fest, ohne die Perspektive auf Schutz. In ähnlicher Weise wird die Seegrenze von Griechenland zur Türkei abgeriegelt, auch hier sinken die Zugangszahlen dramatisch. Kamen 2019 noch 60.000 Schutzsuchende mit Booten an, so waren es 2020 nur noch 9.687, die Gesamtzahl der Ankünfte in Griechenland (Land und See) sank von 75.000 in 2019 auf 15.533 in 2020.

BAMF versucht bestehende Asyltitel abzuerkennen

PRO ASYL stellt fest, dass die Zahl der Widerrufsentscheidungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) drastisch auf 252.940 gestiegen ist. Zudem waren 148.873 Widerrufsprüfungen anhängig. Das BAMF entwickelt sich zunehmend zur Widerrufsprüfungsbehörde. Widerrufsverfahren machen mittlerweile rund zwei Drittel aller Entscheidungen aus. Entscheidungen über Asyl betreffen nur noch rund ein Drittel aller BAMF-Entscheidungen (145.071). Zum Jahresende waren zudem mehr als 150.000 Widerrufsverfahren anhängig.

Widerrufsverfahren verbreiten Angst und Schrecken

Die Behörde hat Hunderttausende Widerrufsverfahren eingeleitet, zahlreiche Menschen wurden dieses Jahr im Rahmen der Widerrufsprüfung zu persönlichen Befragungen vorgeladen, die unter Betroffenen Angst und Schrecken verbreiten. Doch die Lage in den Hauptherkunftsländern hat sich kaum zum Besseren gewendet, die Widerrufsquote ist mit etwas mehr als 3,4 Prozent gering. Diese Fehlleitung von Personalressourcen ist verursacht durch eine falsch ausgerichtete Gesetzgebung.

BAMF sollte Personal zur Vermeidung fehlerhafter Ablehnungen einsetzen

PRO ASYL fordert angesichts dessen: „Das BAMF muss die Möglichkeit erhalten, seine Ressourcen statt für aufwändige Widerrufsprüfungen – die zumeist die ursprüngliche Entscheidung bestätigen – besser dafür einsetzen, die eigene Fehlerquote bei Asylbescheiden zu senken. Auch 2020 wurden zu Tausenden Ablehnungsbescheide des BAMF durch Gerichte korrigiert. Gerade bei den Herkunftsländern mit besonders hoher Korrekturquote wie beispielsweise Afghanistan (ca. 60 Prozent aller inhaltlich von Gerichten geprüfter Fälle, Quelle: Bundesregierung, Frage 24, Seite 15) sollte das Bundesamt in die Lage versetzt werden, sein Personal dafür einzusetzen, die Zahl fehlerhafter Ablehnungen drastisch zu senken.“