Seit über zwei Monaten hält die Invasion des türkischen Staates in Südkurdistan (Irak) an. Dutzende Dörfer wurden entvölkert, mehrfach wurde Giftgas eingesetzt und weiterhin finden Tag für Tag Luftschläge und Drohnenangriffe auch auf Zivilist:innen statt. Um über die aktuelle Situation vor Ort aufzuklären und auch den Invasionskrieg in einen allgemeinen Kontext zu setzen, fand am Mittwoch in Berlin-Kreuzberg im SO36 eine Podiumsdiskussion unter dem Titel „Erdogans ‚neue Türkei‘ und der Krieg gegen die Kurd:innen” statt.
Veranstaltung im SO36 in Berlin-Kreuzberg
Zu Beginn erörterte der Jurist Hovhannes Gevorkian, der aus Berlin regelmäßig über Armenien und den Kaukasus berichtet, welche Ziele das Erdoğan-Regime mit seiner aktuellen Außenpolitik verfolgt. Gevorkian setzte sowohl die aktuellen Angriffe als auch den Krieg in Arzach (Bergkarabach) sowie die türkische Aggression in Syrien, Libyen und im Mittelmeer in den Kontext des Neoosmanismus. Der türkische Staat versuche, massiv Gebiete zu besetzen und führe dort ethnische Säuberungen durch, um bis 2023, zum hundertsten Jahrestag des Lausanner Vertrags, der damals das Osmanische Reich auflöste, auf die Größe des ehemaligen Imperiums zu gelangen.
Im Anschluss berichteten Jana und Thomas, zwei politische Aktivist:innen aus Halle, von der „Delegation für Frieden und Freiheit in Kurdistan", an der sie teilgenommen hatten. Im Rahmen dieser Friedensdelegation befanden sie sich knapp zehn Tage in Südkurdistan und führten Gespräche mit verschiedenen Organisationen, Parteien, NGOs und Menschen aus der Bevölkerung. Auf der Veranstaltung berichteten sie anhand von Videos, Bildern und Kartenmaterial von ihren Erfahrungen, den Gesprächen, den Aktionen und auch von der Repression, mit der sie konfrontiert waren. Außerdem gaben die beiden einen kurzen historischen Abriss des innerkurdischen Konflikts, um verständlicher zu machen, wie es zu der heutigen Krise kommen konnte.
Zum Abschluss der Veranstaltung entstand anhand mehrerer Rückfragen eine Diskussion, was genau der Krieg in der Region für Menschen und Strukturen hier in Europa bedeutet und wie eine stärkere Auseinandersetzung und praktische Antwort auch in Berlin gefunden werden kann.