Pentagon-Bericht zu türkischen Angriffen in Irak und Syrien
In einem Bericht des Pentagon wird darauf hingewiesen, dass die türkischen Angriffe auf Nordsyrien und den Nordirak den Kampf gegen den IS erschweren und die Region destabilisieren.
In einem Bericht des Pentagon wird darauf hingewiesen, dass die türkischen Angriffe auf Nordsyrien und den Nordirak den Kampf gegen den IS erschweren und die Region destabilisieren.
Das Verteidigungsministerium der USA erklärte in seinem jüngsten Bericht über die laufenden Operationen gegen den Islamischen Staat (IS) in Syrien und im Irak (Operation Inherent Resolve), dass die grenzüberschreitenden Angriffe der Türkei auf syrischem Boden zur „Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Koalitionsstreitkräfte, zur Ablenkung der Partnertruppen, zur Einschränkung des humanitären Zugangs und zur Gefährdung der Zivilbevölkerung" geführt haben.
In dem Bericht des Pentagon an den US-Kongress, der sich auf das erste Quartal 2022 bezieht, heißt es unter Bezugnahme auf Informationen der Defence Intelligence Agency (DIA):
„Die Türkei unterscheidet nicht zwischen den SDF [QSD, Demokratische Kräfte Syriens] und kurdischen Mitgliedern der SDF von den Volksverteidigungseinheiten (YPG), die die Türkei als terroristische Organisation betrachtet, die routinemäßig türkisch unterstützte Kräfte angreift. Die DIA erklärte unter Berufung auf Medienberichte, dass die türkischen Streitkräfte während des Quartals weiterhin Angriffe mit sprengstoffbeladenen Fahrzeugen und anderen Sprengkörpern gegen YPG-Mitglieder durchführten, wobei es zuweilen zu Opfern unter der Zivilbevölkerung kam".
Der Bericht unterstreicht auch die Menschenrechtsverletzungen durch bewaffnete Gruppen, die mit dem türkischen Militär in Syrien in Verbindung stehen, und stellt fest, dass diese Verletzungen die QSD von ihrer Mission gegen den IS ablenkten. So habe der IS seine ihre Operationen fortsetzen können, während sich die QSD auf den Schutz der Bevölkerung konzentrierten:
„Das US-Außenministerium hat Berichte geschildert, wonach von der Türkei unterstützte Kräfte im Nordosten Syriens Menschenrechtsverletzungen begangen haben, darunter Entführungen, Folter, Vergewaltigungen und die Beraubung von Eigentum der in diesen Gebieten lebenden Minderheiten, insbesondere der Kurden. Diese Übergriffe erschweren die Mission OIR [Operation Inherent Resolve], indem sie den Fokus der SDF von ihrer Mission, den IS zu besiegen, ablenken, so der Bericht des Verteidigungsministeriums. Die Übergriffe ermöglichen es dem IS außerdem, Mitglieder zu halten und zu rekrutieren, während sich die SDF auf den Schutz der kurdischen Bevölkerung konzentrieren, so das Verteidigungsministerium."
„Instabilität" und „Spaltung" durch türkische Angriffe in Südkurdistan
In Bezug auf die türkischen Angriffe in Südkurdistan wird in dem Bericht sowohl auf die durch diese Übergriffe verursachte „Instabilität" als auch auf eine anschließende „Spaltung innerhalb der Kurden" hingewiesen:
„Der anhaltende Konflikt zwischen der Türkei und der PKK [Arbeiterpartei Kurdistans] trägt zur Instabilität im Nordirak bei. Er spaltet die irakischen Kurden: Die Demokratische Partei Kurdistans, die größte Partei in der KRG [Kurdistan Regional Government], unterhält enge Beziehungen zur Türkei und ist mit der PKK verfeindet. Der kurdische Präsident Nechirvan Barzani, ein Führer der KDP, traf mindestens zweimal mit dem türkischen Präsidenten Erdogan zusammen, einmal unmittelbar nach einem türkischen Angriff auf ein militärisches Ziel in der Nähe des Flüchtlingslagers Makhmur in der Provinz Ninewa Anfang Februar und ein weiteres Mal Mitte März, einen Tag vor dem iranischen Raketenangriff auf Erbil. Die mit der KDP rivalisierende Partei Patriotische Union Kurdistans [PUK] hat in der Vergangenheit engere Beziehungen zum Iran unterhalten und eine gewisse Sympathie für die PKK gezeigt. In den letzten Jahren hat die PKK enge Beziehungen zu einigen der mit dem Iran verbündeten Milizen geknüpft, die zu den irakischen Volksmobilisierungskräften gehören.“
Türkei zielt auf Şengal
Der Bericht unterstreicht auch, dass sich das Ziel der Türkei im Irak nicht mehr auf die PKK-Stützpunkte im Qendîl-Gebirge beschränkt, sondern auch Mexmûr und die ezidische Region Şengal (Sinjar) umfasst.
„Während die türkischen Angriffe in der Vergangenheit auf das Qandil-Gebirge im Nordosten des Irak abzielten, wo die PKK ihre Hochburg hat, zielen sie nun zunehmend auf das weiter westlich gelegene Makhmur-Gebirge sowie auf Sinjar, einen Teil der kurdischen Koordinationslinie, einen Gebietsstreifen in der Nähe der KRG, in dem die irakische ezidische Bevölkerung lebt. Sinjar war historisch gesehen unter der Kontrolle der KDP, aber seit 2017 beherrscht die KDP nur noch die östliche Hälfte von Sinjar, während die PKK mit Hilfe einer ezidischen Miliz, den Widerstandseinheiten Sinjars [YBŞ], die enge Verbindungen zu mit dem Iran verbündeten Milizen unterhält, eine Präsenz im Westen des Sinjar aufgebaut hat."
Weiter heißt es:
„Die Türkei, die die Widerstandseinheiten Sinjars als Stellvertreter der PKK ansieht, hat sie (ebenso wie die PMF*-Milizen) angegriffen. Wie in einem Telegramm des DoS berichtet wurde, hieß es Anfang März in sozialen Medien, dass der Leiter der Volksmobilisierungskommission, Falih al-Fayyadh, der Türkei einen ,diskreten Besuch' abgestattet habe, der mit den Zielen des türkischen Militärs in Sinjar zu tun hatte."
* Popular Mobilization Forces (Volksmobilisierungskräfte), eine vom irakischen Staat geförderte Dachorganisation, die hauptsächlich aus schiitischen muslimischen Gruppen besteht, aber auch sunnitisch-muslimische, christliche und ezidische Gruppen umfasst.