Urteil des Verwaltungsgerichts Köln
Heute hat das Verwaltungsgericht Köln über die Klagen zweier Hamburgerinnen entschieden, die sich gegen die Untersagung ihrer Ausreise in den Irak durch die Bundespolizei im Juni 2021 gewehrt haben. Die beiden Klägerinnen waren Teil einer internationalen Friedensdelegation, die nach Südkurdistan/Nordirak reisen wollte, um einen Beitrag zur Beendigung der völkerrechtswidrigen Angriffe des türkischen Staates zu leisten. Wie der Rechtshilfefonds AZADÎ e.V. mitteilt, urteilte das Gericht, dass die Untersagung der Ausreisen sowie einmonatige Reiseverbote in den Irak rechtswidrig waren.
Internationale Friedensdelegation der Kampagne Defend Kurdistan
Am 12. Juni 2021 wollten Teilnehmer:innen einer Friedensdelegation der Kampagne Defend Kurdistan über den Flughafen Düsseldorf nach Hewlêr (Erbil) in Südkurdistan/Nordirak ausreisen. An der Friedensdelegation beteiligten sich etwa 160 Menschen aus 14 Ländern, um Aufmerksamkeit in den europäischen Gesellschaften für den Krieg in Kurdistan und die völkerrechtswidrigen Angriffe des türkischen Militärs zu schaffen sowie zu einer friedlichen Lösung des Kurdistan-Konflikts beizutragen.
„Erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet“
Am Flughafen Düsseldorf verweigerte die Bundespolizei 17 Teilnehmer:innen die Ausreise, unter ihnen auch die Hamburger Linksfraktionsvorsitzende Cansu Özdemir, und sprach einmonatige Ausreiseuntersagungen aus. Die Behörde begründete ihr Vorgehen u.a. mit den Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zur Türkei, die eine Reise „weiter negativ belasten“ würde. Dadurch seien „erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland“ gefährdet.
Angriff auf die internationale Solidarität
Nachdem die Widersprüche gegen die Verbote abgelehnt worden waren, erhoben zwei Teilnehmerinnen aus Hamburg im Juni 2022 Klagen gegen die Bundespolizei. Sie sahen im Vorgehen der Bundespolizei einen Angriff auf die internationale Solidarität mit der kurdischen Gesellschaft und eine unzulässige Kriminalisierung ihres Einsatzes für Frieden in Kurdistan, die sie in ihren Grundrechten verletzt habe. Über diese Klagen urteilte heute das Verwaltungsgericht Köln.
Die Verbote waren rechtswidrig
Nachdem die Verfahren der zwei Klägerinnen kurzfristig getrennt verhandelt wurden, kam das Gericht in beiden Fällen zu dem Urteil, dass die Verbote rechtswidrig waren. Das Gericht stützte sich in seiner Urteilsbegründung vor allem darauf, dass die Behörden keine hinreichenden individuellen Erkenntnisse vorbringen konnten, dass die Klägerinnen sich im Nordirak wie behauptet an Propagandatätigkeiten der in Deutschland verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) beteiligen wollten.
Kundgebung vor dem Verwaltungsgericht
Vor dem Gerichtsgebäude fand eine Kundgebung statt, bei der Vertreter:innen der deutschen Linken und der kurdischen Bewegung ihre Solidarität mit den Klägerinnen zum Ausdruck brachten und in Redebeiträgen die Repression durch die Bundespolizei verurteilten.
Gehäufte Ausreiseverbote gegen politisch Aktive
Obwohl die der Entscheidung zugrundeliegenden Verbote bereits mehr als drei Jahre zurückliegen, hat das heutige Urteil eine gewisse Relevanz. Nach Beobachtung von AZADÎ häufen sich nämlich in den letzten Jahren Ausreiseverbote gegen politisch Aktive, um sie in ihrem Engagement zu behindern. Erst Ende Juli wurde eine fünfköpfige Reisegruppe auf dem Weg nach Şengal im Nordirak am Flughafen München aufgehalten. Gegen alle Reisenden wurden einmonatige Ausreiseverbote ausgesprochen. Die Gruppe wollte an Gedenkveranstaltungen zum zehnten Jahrestag des Genozids an den Êzîd:innen in Şengal teilnehmen.
AZADÎ begrüßt das Kölner Urteil
„Nicht nur Kurd:innen und Kurdistan-solidarische Personen sind von diesen Verboten betroffen, sondern bspw. auch Antifaschist:innen wie der Vorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschist:innen (VVN-BdA), dem im März 2023 die Ausreise nach Bulgarien untersagt wurde. Daher begrüßt AZADÎ das heutige Urteil und fordert die Bundespolizei auf, künftig vom Mittel der Ausreiseverbote abzulassen“, teilte der Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland mit.