Aus Seenot Gerettete müssen monatelang auf Überstellung warten

Einmal aus Seenot gerettet, ist die Odyssee der Schutzsuchenden noch lange nicht beendet. Aus einer Kleinen Anfrage der Linksfraktion geht hervor, dass Schutzsuchende monatelang in Italien und Malte festsitzen.

Immer wieder sichert die Bundesregierung die Aufnahme von aus Seenot geretteten Schutzsuchenden zu. Die Zahl der tatsächlich Aufgenommen liegt jedoch weit unter den Versprechungen. Aus einer Kleinen Anfrage der innenpolitischen Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, geht hervor, dass von 1291 schiffbrüchigen Geflüchteten, für welche die Bundesregierung seit Juni 2018 die Zuständigkeit für die Durchführung der Asylverfahren übernommen hat, nur 624 - also weniger als die Hälfte - tatsächlich nach Deutschland überstellt wurden.

Jelpke kommentiert: „Mehr als die Hälfte derer, bei denen die Bundesregierung die Zuständigkeit für die Durchführung der Asylverfahren übernommen hat, sitzen noch in den Erstaufnahmeländern fest. Das zeigt einmal mehr den erbärmlichen Zustand der EU-Asylpolitik. Die deutschen Behörden müssen ihre Verzögerungstaktik schleunigst beenden!“

Auch die Dauer bis zur Überstellung liegt weit über den vereinbarten vier Wochen. So liegen die durchschnittlichen Wartezeiten für Malta zwischen zwei und fünf Monaten und für Italien sogar zwischen drei und neun Monaten. Die Bundesregierung gibt an, dass die Corona-Pandemie zu einer Verzögerung der Überstellungszeiten geführt habe. Das überzeugt allerdings nicht, denn diese Verzögerungen spielen erst seit März 2020 eine Rolle. Zwischen August 2019 und Februar 2019 muss die Dauer zwischen Anlandung und Überstellung folglich auch mindestens bei zwei (Malta) bzw. drei (Italien) Monaten gelegen haben. Auch bei früheren Anfragen hatte sich gezeigt, dass Betroffene monatelang auf ihre Überstellung warten mussten.

Die Innenpolitikerin Ulla Jelpke erklärt dazu: „Obwohl vor einem Jahr auf Malta vereinbart wurde, aus Seenot gerettete Schutzsuchende innerhalb von vier Wochen nach der Anlandung in andere EU-Mitgliedsstaaten zu bringen, müssen die Betroffenen nach wie vor monatelang auf ihre Überstellung warten. Der Verweis auf Corona-bedingte Verzögerungen ist nichts als eine billige Ausrede - auch vor der Pandemie waren die Wartezeiten bereits viel zu lang.“

Überdurchschnittlich geringe Schutzquote

Von den 624 Asylsuchenden, die nach Deutschland gebracht wurden, haben bislang 489 einen Asylantrag gestellt. Entscheidungen des BAMF liegen in 386 Fällen vor. Ein Schutzstatus wurde in 88 Fällen gewährt (Flüchtlingsschutz: 8, subsidiärer Schutz: 55, Abschiebungsverbot: 25). 283 Anträge wurden abgelehnt, in 15 Fällen wurden die Verfahren eingestellt. Daraus ergibt sich eine bereinigte Schutzquote von 23,7 Prozent. Die Schutzgewährungen entfielen in erster Linie auf Geflüchtete aus Eritrea (68), vereinzelt auch auf Somalia, Sudan, Syrien, Libyen. Insbesondere die Asylanträge von Menschen aus vielen westafrikanischen Staaten werden fast durchweg abgelehnt. Hinzu kamen neun Schutzgewährungen durch Gerichte. In 20 Fällen haben die Gerichte Klagen gegen ablehnende BAMF-Bescheide abgewiesen, 17 Fälle fielen in die Kategorie „sonstige Erledigungen“. Die bereinigte Erfolgsquote bei Klagen vor Gericht lag somit bei 31,0 Prozent. 185 Klageverfahren sind noch bei den Gerichten anhängig.

Jelpke: Betroffene müsste entschädigt und nicht erneut abgeschoben werden

Zur niedrigen Anerkennungsquote erklärt Jelpke: „Die Menschen, um die es hier geht, haben eine unbeschreibliche Tortur hinter sich. Sie haben die Lager in Libyen und die gefährliche Fahrt übers Mittelmeer überlebt, mitunter wochenlang auf Seenotrettungsschiffen auf die Zuweisung eines sicheren Hafens gewartet und mussten dann auch noch monatelang in überfüllten Lagern in Italien oder auf Malta ausharren, bis sie endlich nach Deutschland überstellt wurden. Die Betroffenen müssten für diese Qualen eigentlich entschädigt werden. Doch stattdessen werden sie in Deutschland wieder in Lager gesperrt und das BAMF lehnt ihre Asylanträge reihenweise ab, sodass ihnen nun die Abschiebung droht.

Vor jeder neuen Station hoffen die Schutzsuchenden auf Sicherheit, und immer wieder werden ihre Hoffnungen zunichte gemacht. Das deutsche und europäische Grenzregime zeigt sich beim Umgang mit den schiffbrüchigen Geflüchteten von seiner hässlichsten Seite.“