Keine Anwaltsbesuche seit 2019
Die Kanzlei Asrin bemüht sich weiterhin um Kontakt zu Abdullah Öcalan. Das in Istanbul ansässige Anwaltsbüro reichte am Montag sowohl bei der Oberstaatsanwaltschaft in Bursa als auch bei der Vollzugsleitung des Inselgefängnisses, in dem Öcalan inhaftiert ist, einen weiteren Antrag auf Erteilung einer Besuchserlaubnis ein. Seit mehr als fünf Jahren wird der kurdische Vordenker von seinem Verteidigungsteam vollständig abgeschottet. Sämtliche in diesem Zeitraum gestellte Besuchsanträge wurden von den türkischen Justizbehörden entweder ignoriert oder abgelehnt. Öcalan wird ein Haftregime auferlegt, das auf seine körperliche und physische Vernichtung abzielt.
Letzte Mandantenbesuche durch Hungerstreik erkämpft
Abdullah Öcalan befindet sich seit seiner völkerrechtswidrigen Verschleppung aus Kenia in die Türkei im Jahr 1999 auf der Gefängnisinsel Imrali in Isolationshaft. Der letzte Kontakt zu ihm war ein Besuch durch seinen Neffen Ömer Öcalan. Der 37-Jährige, der Abgeordneter der DEM-Partei im türkischen Parlament ist, durfte seinen Onkel überraschend am vergangenen Mittwoch besuchen. Mit seiner Rechtsvertretung hatte Öcalan allerdings zuletzt im August 2019 Kontakt. Nach acht Jahren Unterbrechung waren mit einem von der inzwischen wieder inhaftierten Politikerin Leyla Güven angeführten Hungerstreik insgesamt fünf Anwaltsbesuche durchgesetzt worden. Die Isolation im Imrali-Gefängnis wurde seither auf das Niveau der totalen Incommunicado-Haft getrieben.
Auch Öcalans Mitgefangene werden isoliert
Betroffen von der Isolation auf Imrali sind auch Öcalans drei Mitgefangene Ömer Hayri Konar, Hamili Yıldırım und Veysi Aktaş, die 2015 im Zuge des Dialogs zwischen dem kurdischen Vordenker und der Führung in Ankara in das Inselgefängnis verlegt wurden. Als juristische Ummantelung für das Unrecht auf Imrali, einschließlich der Unterbindung von Anwalts- und Familienbesuchen, dienen der türkischen Justiz willkürlich verhängte „Disziplinarstrafen“ gegen die Imrali-Gefangenen.
Disziplinarstrafen zur Einschränkung von Gefangenenrechten
Begründet werden Disziplinarstrafen auf Imrali in den meisten Fällen mit der 2009 von Öcalan verfassten „Roadmap für Verhandlungen“, die dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) als Verteidigungsschrift vorgelegt wurde – aber auch mit der bizarren Argumentation, dass Öcalan „in der offiziellen Sportzeit auf dem Gefängnishof auf und ab geht“. Diese Form der Sanktion wird bei Anträgen auf Familienbesuche alle drei Monate erneuert, bei Besuchsanträgen von Asrin halbjährlich. Laut der Kanzlei hat die türkische Justiz diese Art der „Strafmaßnahme“ seit 2016 dreizehnmal verfügt, zuletzt im vergangenen Mai. Entgegen der europäischen Rechtsprechung, mehrmaligen Aufforderungen des UN-Menschenrechtsausschusses und einer Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarats ist der türkische Staat nach wie vor nicht bereit, die auf Imrali praktizierte Isolation zu beenden.