Im Prozess um den Tod des 15-jährigen Arkan Hussein Khalaf hat das Landgericht Lüneburg auf verminderte Schuldfähigkeit aufgrund einer paranoiden Schizophrenie geurteilt und den Täter Daniel S. auf unbestimmte Zeit in die Psychiatrie eingewiesen. Das Gericht wertete das Geschehen als Totschlag, während die Anwälte der Familie des getöteten Jugendlichen eine Verurteilung wegen Mordes forderten. Der 30-Jährige habe sich am Tatabend in einem extremen paranoiden Verfolgungswahn befunden, sagte der Vorsitzende Richter in seinem Urteilsspruch. Deshalb könne nicht ausgeschlossen werden, dass er zum damaligen Zeitpunkt vermindert schuldfähig gewesen sei. Rassistische Motive sah das Gericht beim Angeklagten nicht.
Es war der Abend des 7. April, ein Dienstag. Arkan war mit einem Freund in der Innenstadt auf dem Fahrrad unterwegs. Auf der Bahnhofstraße tauchte der mit einem Messer bewaffnete Deutsche Daniel S. wie aus dem Nichts auf, rammte dem Jungen ohne Vorwarnung eine Klinge mitten ins Herz. Arkan schleppte sich noch ein paar Meter davon, brach dann aber auf dem Bürgersteig zusammen. Sein Freund konnte den Angreifer solange festhalten, bis die Polizei eintraf und ihn festnahm. Kurz darauf verstarb Arkan in einem Krankenhaus.
Daniel S. hatte bereits zum Auftakt des Sicherungsverfahrens zugegeben, auf den 15-jährigen Jungen eingestochen zu haben. Er habe ihn angeblich nicht töten wollen, aber Stimmen gehört und sich von Arkan „verfolgt” gefühlt. Dass das Urteil bereits am dritten Prozesstag gefallen ist, sei aufgrund der wichtigen Frage nach einem möglichen rassistischen Motiv des Täters durchaus ernüchternd, erklärten Vertreterinnen und Vertreter ezidischer Vereine nach dem Richterspruch. Ursprünglich waren sechs Verhandlungstage vorgesehen.
Bereits 24 Stunden nach der Tat hatten die Polizei Celle und die Staatsanwaltschaft Lüneburg ein rassistisches Motiv ausgeschlossen. Die Familie und die ezidische Community machten diese Einschätzung wütend. Sie warfen den Behörden vor, einen möglichen rassistischen Hintergrund kleinzureden. Psychische Erkrankungen seien kein Widerspruch für ideologische Motive, hieß es in einer Erklärung ezidischer und anderer migrantischer Vereine. Erst nach dieser Stellungnahme und Recherchen vom Störungsmelder (ZEIT Online) zum Täter lenkten die Behörden sprachlich ein: Daniel S. verkehrte auf rassistischen, antisemitischen und verschwörungstheoretischen Seiten, auf denen unter anderem Inhalte der „QAnon“-Ideologie verbreitet werden, auf die sich auch die rassistischen und antisemitischen Attentäter von Hanau und Halle bezogen. Zudem pflegte S. Online-Freundschaften mit Neo-Nazis.