Ankara: Festnahmen bei Gedenken für Ethem Sarısülük

Die türkische Polizei hat in Ankara eine Gedenkveranstaltung für den bei den Gezi-Protesten im Sommer 2013 von einem Polizisten erschossenen Ethem Sarısülük angegriffen. Fast 20 Personen wurden festgenommen.

Eine in Ankara geplante Gedenkveranstaltung für den bei den Gezi-Protesten vom Sommer 2013 von der Polizei durch einen Kopfschuss getöteten Ethem Sarısülük konnte nicht wie geplant stattfinden. Teilnehmende wurden bereits auf dem Weg zum Güvenpark im Bezirk Kızılay von der Polizei eingekreist und angegriffen. Es soll zu fast zwanzig Festnahmen gekommen sein, teilweise unter Anwendung von massiver Gewalt. Zu der Gedenkveranstaltung hatten demokratische Massenorganisationen aufgerufen. Die Polizei begründete ihr Vorgehen mit Verweis auf die Corona-Beschränkungen.

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Ethem Sarısülük war einer von acht Zivilisten, die während der Gezi-Proteste ums Leben kamen. Der Aufstand begann am 27. Mai 2013, als die Stadtverwaltung von Istanbul für ein geplantes Bauprojekt Bäume im zentralen Gezi-Park am Taksim-Platz fällen wollte. Damals stellten sich Mitglieder verschiedener Vereine, Berufsverbände und Initiativen vor die Baumaschinen und verhinderten die Abholzung, unter ihnen war auch der damalige HDP-Abgeordnete Sirri Süreyya Önder. Aus lokalen Protesten entstand eine Widerstandsbewegung gegen die autoritäre Politik des damaligen Ministerpräsidenten und heutigen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, die sich mit Ausnahme von Çewlîg (türk. Bingöl) und Bayburt auf alle Provinzen ausweitete. Zunächst noch mit Tränengas und Wasserwerfern, ging die Polizei immer härter gegen die Demonstrant*innen vor. Laut einem Bericht mehrerer Menschenrechtsgruppen starben während der Proteste auch drei Sicherheitskräfte. Über 8.000 Personen wurden verletzt, 43 von ihnen schwer.

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Präsident Erdoğan bezeichnete die Demonstrant*innen als Plünderer und warf ihnen vor, die Regierung stürzen zu wollen. Sechszehn Intellektuelle, Journalist*innen, Schauspieler*innen und Menschenrechtler*innen waren daraufhin wegen versuchtem Umsturzversuch angeklagt worden, darunter auch der Kulturmäzen Osman Kavala. Im April wurden alle Angeklagten freigesprochen, gegen Kavala wurde nur wenige Stunden nach seinem Freispruch erneut ein Haftbefehl beantragt, diesmal wegen Spionagevorwürfen. Auch gegen drei der Richter am Gericht in Silivri, die alle Angeklagten im Gezi-Prozess freigesprochen hatten, wird inzwischen ermittelt