„Alan Kurdi“ rettet vor Libyen 150 Menschen

Das Rettungsschiff „Alan Kurdi” der Regensburger Seenotrettungsorganisation Sea-Eye hat vor der libyschen Küste 150 Menschenleben gerettet. Eine der beiden Bergungen unterbrachen libysche Kräfte und feuerten Schüsse ab.

Das deutsche Rettungsschiff „Alan Kurdi“ hat vor der libyschen Küste 150 Menschen aufgenommen. Wie die Seenotrettungsorganisation Sea-Eye mitteilte, wurden zunächst 68 Schutzsuchende ohne Rettungswesten von einem Holzboot gerettet. Während der Rettung gefährdete ein libysch beflaggtes Schnellboot die Arbeit der Crew, berichtet Sea-Eye. Nach Schüssen in die Luft sprang rund die Hälfte der Flüchtenden ohne Rettungsweste panisch ins Meer, um zur „Alan Kurdi“ zu schwimmen. „Als ich die Schüsse der Libyer hörte, hatte ich große Sorge um meine Mannschaft und die Flüchtenden“, sagte Einsatzleiter Stefan Schütz. Nachdem sich die Lage beruhigte und die Libyer sich zurücknahmen, konnten alle Personen mit Schwimmwesten versorgt und gerettet werden.

Schon während der ersten Rettung meldete das Alarm Phone einen weiteren Seenotfall nördlich der Position der Alan Kurdi. Dieser soll Stunden zuvor zwar bereits den italienischen Offshore-Versorger Asso Ventinove erreicht haben, die Organisation habe jedoch keine Rettungsversuche eingeleitet. „Aufgrund der Größe wäre das italienische Versorgungsschiff deutlich besser geeignet gewesen, die 82 Personen, darunter auch Kinder, auf dem Holzboot zu retten. Mit der Begründung, dass man für die Bohrinseln bereit bleiben müsse, um dort zu helfen, wenn es zu einem Unglück käme, verweigerte Asso Ventinove die Rettung und lehnte die Zuständigkeit für die Koordinierung ab“, teilte Sea-Eye mit. Die „Alan Kurdi“ evakuierte deshalb auch das zweite Boot und sucht nun mit insgesamt 150 Geretteten an Bord nach einem sicheren Hafen.

Noch ist unklar, wohin die Menschen gebracht werden sollen. Wegen des Coronavirus-Notstands in Italien müssten sie bei ihrer Ankunft in einem italienischen Hafen einer zweiwöchigen Quarantäne unterzogen werden. In den letzten Wochen ist es zu keinen Ankünften von Flüchtlingen sowie Migrantinnen und Migranten in Italien gekommen.

Während die zweite Rettung anlief, meldete sich nach Sea-Eye-Angaben das Bundesinnenministerium bei der Regensburger Organisation und anderen Rettungsorganisationen mit der Bitte, derzeit keine Fahrten aufzunehmen und bereits in See gegangene Schiffe zurückzurufen. Zu dem Zeitpunkt war die Alan Kurdi bereits eine Woche im Einsatz.

„Jedes Menschenleben ist wertvoll. Wir vertrauen darauf, dass es dem Bundesaußenminister gelingt, für 150 Menschenleben zusätzliche Verantwortung zu übernehmen. Denn Deutschland ist schließlich unser Flaggenstaat. In den vergangenen Tagen hat die Bundesregierung mehr als 200.000 Menschen in einem unglaublichen Kraftakt aus dem Ausland heimgeholt. Es muss doch vorstellbar und menschenmöglich sein, eine Maschine für 150 Schutzsuchende nach Südeuropa zu senden, um die Menschen unverzüglich zu evakuieren. In Deutschland gibt es rund 150 Städte im Bündnis Sicherer Häfen, die ihre Bereitschaft zu Aufnahme von Geflüchteten erklärt haben“, sagte Sea-Eye-Vorsitzender Gordon Isler.

Sea-Eye

Der Verein Sea-Eye e. V. wurde 2015 in Regensburg gegründet. In den ersten Vereinsjahren retteten die ehrenamtlichen Crews mit den umgerüsteten Fischkuttern „Sea-Eye“ und „Seefuchs“ mehreren tausend Menschen das Leben. Im Sommer 2018 entschied der Verein, ein neues Schiff unter deutscher Flagge in den Einsatz zu senden. Die „Alan Kurdi“ war das erste Schiff einer Hilfsorganisation im zentralen Mittelmeer unter der Bundesflagge. Insgesamt beteiligten sich über 1.000 ehrenamtliche Crewmitglieder in über 70 Missionen an der Rettung von 15.056 Menschen.

Titelfoto: Sea-Eye | Cédric Fettouche, zweite Mission am 6. April 2020