In Düsseldorf findet am kommenden Samstag eine Demonstration für die Freiheit von Abdullah Öcalan statt. Zeitgleich werden in weiteren europäischen Städten Aktionen mit derselben Forderung durchgeführt. Nach Düsseldorf wird im gesamten Bundesgebiet mobilisiert, auch Teilnehmende aus der Schweiz, Frankreich, Belgien und den Niederlanden werden erwartet.
Im Vorfeld der Demonstration sind Vertreter:innen von Organisationen mit kurdisch-türkischem Hintergrund in Düsseldorf zusammengetroffen, um als Bündnis demokratischer Kräfte über die Vorbereitungen zu sprechen und auf Kurmancî, Dimilikî und Türkisch einen gemeinsamen Aufruf an die Öffentlichkeit zu richten.
An dem Treffen nahmen Yüksel Koç (KCDK-E), Zübeyde Zümrüt (KON-MED), Maryam Fathi (KJAR Europa), Artin Zahedî (PJAK Europa), Yusuf Demir (ADHK), Hafız Ahmet Turhallı (CÎK), Demir Çelik (FEDA), Ali Mitel (AvEG-KON), Ayten Kaplan (TJK-E), Endercan Ekin (Räte revolutionärer Kommunen in Europa), Engin Sever (KON-MED) und Şevin Sincar (FED-MED) teil.
Yüksel Koç, Ko-Vorsitzender des kurdischen Europaverbands KCDK-E, wies auf die strikte Isolation von Abdullah Öcalan in türkischer Haft und seine Bedeutung für eine politische Lösung der kurdischen Frage hin und forderte „alle Menschen aus Kurdistan im Alter zwischen sieben und siebzig Jahren“ zur Teilnahme an der Demonstration am 15. April auf.
Die Ko-Vorsitzende von KON-MED, Zübeyde Zümrüt, sagte, dass es seit über zwei Jahren keinen Kontakt zu Öcalan gibt und sein Zustand vollkommen ungewiss ist: „Unser Aufruf an unser Volk lautet: Lasst uns alle zusammenkommen und eine Stimme für Rêber Apo sein. Von Demokratisierung kann erst dann die Rede sein, wenn die Isolation Öcalans aufgehoben ist und alle politischen Gefangenen, einschließlich der inhaftierten Journalistinnen und Journalisten, freigelassen werden. Wir können nicht über Demokratisierung sprechen, solange die Isolation nicht durchbrochen ist."
Ähnlich äußerten sich die weiteren anwesenden Vertreter:innen. Hafız Ahmet Turhallı, Vorsitzender des kurdischen Islamverbands Civaka Îslamiya Kurdistan (CÎK), sagte: „Das kurdische Volk wird nicht befreit werden, solange die Isolation seines Anführer nicht aufgehoben ist." Ayten Kaplan wies im Namen der kurdischen Frauenbewegung auf die Isolation hin und forderte angesichts der brisanten Situation höchste Aufmerksamkeit ein. Demir Çelik sagte: „Im Namen der Demokratischen Alevitischen Föderation und der Mesopotamischen Glaubensgemeinschaft verurteilen wir die Isolation von Herrn Öcalan. Die Isolation von Herrn Öcalan ist ein System der Isolation, das allen Glaubensrichtungen auferlegt wird, und wir akzeptieren es nicht."
Der Aufruf wird von Dutzenden weiteren Organisationen unterstützt.
Begründer der kurdischen Freiheitsbewegung
Abdullah Öcalan ist der Begründer der kurdischen Freiheitsbewegung und ihm ist es zu verdanken, dass die kurdische Gesellschaft, Kultur und Sprache nicht in den Tiefen der Geschichte untergegangen sind. Die von ihm gegründete politische Organisation hat eine Bewegung geschaffen, die es der kurdischen Gesellschaft ermöglicht, gegen Assimilation, Unterdrückung und Kolonialisierung Widerstand zu leisten.
Öcalan wurde am 15. Februar 1999 im Zuge eines internationalen Komplotts verschleppt. Seitdem wird er auf der Gefängnisinsel Imrali in totaler Isolation festgehalten. Obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Haftbedingungen immer wieder als menschenunwürdig gerügt hat, hat sich an seiner Situation nichts geändert.
Ideengeber von „Jin, Jiyan, Azadî“
Trotz seiner Haftbedingungen prägen Öcalans Konzepte und Theorien die gesellschaftlichen Kämpfe für Demokratie und Freiheit im Nahen Osten. So gehen seit Monaten hunderttausende Frauen in Rojhilat und im Iran auf die Straße und fordern ein Ende des Mullah-Regimes. Begleitet werden ihre Proteste von dem Slogan „Jin, Jiyan, Azadî“, dessen Ideengeber Öcalan ist.
Auch der politische Kampf für Demokratie in der Türkei, angeführt von der HDP, oder der Aufbau eines basisdemokratischen Gesellschaftsmodells in Nord- und Ostsyrien sind ohne die Ideen Öcalans nicht denkbar. Die politische Philosophie Abdullah Öcalans ist aber nicht nur für die kurdische Gesellschaft und den Nahen Osten wegweisend. Sie stellt weltweit eine Alternative zum krisengeschüttelten Kapitalismus dar. Er hat die kurdische Freiheitsbewegung von einer klassischen nationalen Befreiungsbewegung zu einer internationalistischen Bewegung transformiert.
Systematische Verletzung von Grundrechten der Imrali-Gefangenen
Abdullah Öcalan befindet sich seit seiner Verschleppung in die Türkei im Jahr 1999 auf der im Marmarameer gelegenen Gefängnisinsel Imrali. Der letzte Kontakt zu ihm war ein Telefongespräch mit seinem Bruder im März 2021, das nach wenigen Minuten unterbrochen wurde. Mit seinem Rechtsbeistand von der Istanbuler Kanzlei Asrin hatte Öcalan zuletzt im August 2019 Kontakt. Nach acht Jahren Unterbrechung waren mit einem von der inhaftierten Politikerin Leyla Güven angeführten Hungerstreik insgesamt fünf Anwaltsbesuche durchgesetzt worden. Der letzte Familienbesuch auf der Insel wurde im März 2020 genehmigt.
Betroffen von der Isolation auf Imrali sind auch Öcalans drei Mitgefangene Ömer Hayri Konar, Hamili Yıldırım und Veysi Aktaş, die 2015 im Zuge des Dialogs zwischen dem kurdischen Vordenker und der Führung in Ankara in das Inselgefängnis verlegt wurden. Als juristische Ummantelung für das Unrecht auf der Insel dienen der türkischen Justiz in der Regel willkürlich verhängte „Disziplinarmaßnahmen“ gegen die Imrali-Gefangenen. Auch die 2009 von Abdullah Öcalan verfasste „Roadmap für Verhandlungen“, die dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) als Verteidigungsschrift vorgelegt wurde, wird immer wieder für die Unterbindung von Besuchen herangezogen.
Demonstrationen am 15. April
Am 15. April finden in mehreren Städten Europas Demonstrationen für die Freiheit von Abdullah Öcalan statt. Die traditionelle Demonstration in Straßburg zum Jahrestag der Verschleppung von Öcalan in die Türkei am 15. Februar 1999 wurde in diesem Jahr aufgrund der Erdbebenkatastrophe im türkisch-syrischen Grenzgebiet abgesagt. Die Veranstaltung war eigentlich am 11. Februar geplant und sollte zugleich den Abschluss der langen Märsche von Internationalist:innen durch die Schweiz und der kurdischen Jugendbewegung durch Deutschland darstellen. Nach dem Erdbeben mit Epizentrum in Kurdistan und Zehntausenden Toten hatte der KCDK-E die Demonstration auf April verschoben, um alle Kraft in die Erdbebenhilfe zu kanalisieren.
Am kommenden Samstag finden daher zeitgleich Aktionen in Düsseldorf, Marseille, Stockholm und Göteborg sowie in Kanada, Österreich, Zypern, England, Australien, Italien und Griechenland statt. Die Demonstration in Düsseldorf beginnt mit einer Auftaktkundgebung ab 11 Uhr vor dem DGB-Haus nahe des Düsseldorfer Hauptbahnhofs in der Friedrich-Ebert-Straße.