Für eine politische Lösung der kurdischen Frage
Wieder eine ‚Kampagne für die Freiheit von Abdullah Öcalan und eine politische Lösung der sogenannten kurdischen Frage‘. Die wievielte mag das sein? Seit 25 Jahren gehen weltweit Menschen auf Straßen und Plätze, formulieren Appelle und Resolutionen, sammeln Unterschriften, klagen an – wie auch erneut am Samstag in Dutzenden Städten in Europa.
Nürnberg
Zum einen geht es dabei um Menschenrechte. Ein mittlerweile 75-jähriger Mann wurde vor einem Vierteljahrhundert wie in einem schlechten Agentenfilm durch ein internationales Komplott in Kenia entführt und in die Türkei verschleppt. Dort lebt er seitdem von der Außenwelt abgeschnitten auf einer Gefängnisinsel. Seit über drei Jahren gibt es keine Nachricht mehr über ihn, seine Gesundheit, sein Leben. Der türkische Staat verweigert Anwält:innen und Familienangehörigen jeglichen Kontakt. Natürlich verstößt dies gegen alle Menschenrechtsstandards.
Stuttgart
Da die Türkei Mitglied im Europarat ist und somit auch die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte (EMRK) unterzeichnet hat, wird regelmäßig das Antifolterkomitee (CPT) angerufen. Es ist ein Organ des Europarats mit der Aufgabe, zu jeder Zeit und an jedem Ort durch Besuche die Haftbedingungen von Gefangenen der Mitgliedsstaaten zu überprüfen und darüber zu informieren. Dass das CPT keine Berichte zu der türkischen Gefängnisinsel Imrali veröffentlicht, werten viele als besorgniserregendes Zeichen. Es drängt sich die Frage auf, ob Menschenrechtsverletzungen von politischen Gefangenen nur dann medial an den Pranger gestellt werden, wenn es außenpolitisch gerade opportun erscheint. Verständlich, dass das Vertrauen in die europäischen Institutionen schwindet. Wenn dann auch das politische Interesse fehlt, genauer nachzufragen, bleiben eben nur öffentliche Kampagnen.
Wien
Jenseits des menschenrechtlichen Aspekts geht es im Fall von Abdullah Öcalan aber noch um mehr. Vor 100 Jahren wurde Kurdistan in vier Teile aufgespalten und kolonialisiert.‚Rêber Apo‘ hat mit der PKK-Bewegung Ende der 1970er Jahre die kurdische Identität wieder zum Leben erweckt. Es war die Zeit weltweiter antikolonialer Kämpfe. Nicht nur in Kurdistan erwachte der Geist der Rebellion gegen Unterdrückung und Sklaverei. Helden wie Nelson Mandela oder Che Guevara wurden gejagt, ermordet, eingesperrt – oder bekamen irgendwann den Friedensnobelpreis. Als Vordenker und Wegbereiter hat Öcalan den Grundstein gelegt für den kurdischen Kampf um Anerkennung, Selbstbestimmung und für ein gleichberechtigtes Leben in Freiheit und Würde. Damit stellte er sich gegen die völkisch-nationalistischen Interessen der Türkei, die seitdem einen gnadenlosen Krieg gegen Kurd:innen führt.
Hannover
Im Gefängnis hat Öcalan viele Schriften verfasst mit Vorschlägen zur Demokratisierung der Gesellschaft. Da geht es um kommunales Leben, um Geschlechtergleichheit, um ein Leben im Einklang mit der Natur. Es ist ein Entwurf, wie eine solidarische Gesellschaft das Elend der ‚Kapitalistischen Moderne‘ und der Nationalstaaten samt ihrer Kriege überwinden kann. Dabei hat sich Öcalan immer dialogbereit gezeigt, um mit dem türkischen Staat den Dauerkonflikt um die sogenannte ‚kurdischen Frage‘ durch Verhandlungen zu lösen.
Freiburg
Kein Wunder, dass nicht nur die Teilnehmer:innen der heutigen Proteste ein Ende des rechtswidrigen Isolationsregimes auf Imrali und die Einleitung eines Friedensprozesses fordern. Für viele Millionen weltweit ist der Mitbegründer der kurdischen Freiheitsbewegung Hoffnungsträger für eine gerechtere Welt und viel zu wichtig, um weggesperrt zu werden. Er ist nicht nur ein Mensch mit Mut, Entschlossenheit und großem Charisma, sondern seine profunden Analysen der Welt, wie sie ist, und seine Vorschläge, wie man sie besser machen kann, sind es wert, gehört zu werden – gerade in dieser Zeit blutig-schmutziger Krisen, Kriege und Katastrophen. „Lasst Öcalan und mit ihm die zahllosen politischen Gefangenen in türkischen Foltergefängnissen endlich frei, für eine politische Lösung! Bijî Berxwedana Zindana – Es lebe der Gefängniswiderstand!“, so die Demonstrant:innen.
Hamburg
Amsterdam
Kopenhagen