8. Mai – Ein Tag zu feiern, zu gedenken und zu schwören

Das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa jährt sich zum 75. Mal. Zum Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus ruft die internationalistische Kampagne RiseUp4Rojava dazu auf, weltweit den antifaschistischen Kampf zu stärken.

Zum Tag der Befreiung am 8. Mai hat die internationalistische und antifaschistische Kampagne RiseUp4Rojava dazu aufgerufen, den Widerstandskämpfer*innen gegen den Faschismus zu gedenken. Denn nach wie vor ist der Faschismus nicht nur in der Türkei und in vielen europäischen Staaten, sondern weltweit eine Realität. Und aus dieser folgt der Schluss, den internationalistischen und antifaschistischen Kampf zu stärken:

Der 8. Mai, ein Tag des Feierns

Der 8. Mai steht für den Tag der Befreiung. Die Befreiung vom Faschismus des Nationalsozialismus in Deutschland. Er steht auch für die Momente, in welchen die Tore der Konzentrationslager aufgerissen, Menschen befreit wurden oder sich selbst befreiten, die Hakenkreuzfahnen von Dächern geschmissen und Nazis für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen wurden. Es ist ein Tag des Feierns des Endes des Nationalsozialismus als offene Herrschaftsform des Staates.

Der 8. Mai, ein Tag des Gedenkens des Widerstands

Diese Befreiung wäre ohne die Bereitschaft von Millionen, ihr Leben zu geben, niemals möglich gewesen. Tausende von Partisan*innen haben in Italien, Jugoslawien, Griechenland, Polen oder Litauen, die Résistance in Frankreich oder im spanischen Widerstand gegen Franco, offen oder geheim den Widerstand gegen den Faschismus und Nationalsozialismus geführt. In Deutschland hatten bis zu den letzten Tagen vor der Kapitulation kleine Widerstandszellen in Betrieben die Produktion sabotiert, Flugblätter verteilt, Menschen versteckt und sich vorbereitet, auch mit Waffen in der Hand, dem letzten Reste des faschistischen Regimes entgegenzutreten. Sie alle leisteten Widerstand, auch indem sie die Werte der Menschlichkeit aufrechterhielten und sich nicht haben brechen lassen vom faschistischen Terror. Auch wäre dieser Tag niemals Realität geworden, hätten nicht Millionen Soldat*innen der Armeen der Alliierten die faschistischen Truppen zerschlagen. Hätten sich nicht viele Tausende aus der ganzen Welt eingereiht in diese Armeen, zum Kampf gegen den Faschismus. Auch ihnen gilt unser Gedenken an diesem Tag.

Der 8. Mai, ein Tag der internationalen Solidarität 

Dieser Widerstand wäre ohne die internationale Solidarität und das Bewusstsein über die Notwendigkeit des internationalen Kampfes niemals möglich gewesen. Die internationalen Brigaden in Spanien zogen mit dem internationalen Bewusstsein in den Kampf gegen die Diktatur Francos, dass der Kampf um die Spanische Republik zu gleich der offene Kampf gegen den europäischen Faschismus und insbesondere gegen den Nationalsozialismus in Deutschland ist. Sie begriffen, dass ihre Befreiung mit der Freiheit der Gesellschaften in Europa verbunden ist.

Der 8. Mai, ein Tag des Versprechens

Und es ist ein Tag des gegenseitigen Versprechens unseres antifaschistischen Kampfes. Wie vor 75 Jahren die ehemaligen Gefangenen des Konzentrationslager Buchenwald sagen auch wir: „Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht! Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig.“

Es ist auch unser Versprechen, diejenigen, welche verantwortlich sind für Terror und Angst, Zerstörung, Genozid und Holocaust zur Rechenschaft zu ziehen. Es ist unserer Versprechen, unsere gefallenen Genoss*innen nicht zu vergessen und sie in unseren Herzen, in unserem Widerstand und Kampf weiter leben zu lassen. Es ist auch unser Versprechen, am Aufbau einer freien Gesellschaft, welche in Frieden lebt, radikal festzuhalten, um den Faschismus endgültig zu besiegen.

Der 8. Mai, ein Tag der Hoffnung

Und so ist der 8. Mai auch ein Tag unserer Hoffnung. Wie auch die Vielen, die in Deutschland im Widerstand waren, ihre Kraft und ihren Mut aus der Hoffnung und Überzeugung der Befreiung und des Aufbaus eines sozialistischen Deutschlands gezogen haben, so ziehen wir noch heute unsere Kraft für den Kampf aus der Überzeugung, dass der Aufbau einer freien Gesellschaft möglich ist. An dieser Hoffnung festzuhalten, sie gegen die Alternativlosigkeit zu verteidigen, sind wir denen, die seit Jahrtausenden für die gesellschaftliche Befreiung kämpfen, Genoziden, dem Holocaust und Femiziden trotzten, schuldig. Unsere Hoffnung liegt dabei auf der Gesellschaft, nicht den Staaten. Denn eine ehrliche antifaschistische Haltung kann nur von der Gesellschaft, nicht aber dem Staat eingenommen werden. Denn der Staat selbst ist die Vorbedingung des Faschismus, hat in sich permanent den Drang nach Unterdrückung und Homogenisierung, nach Zentralisierung der Macht.

Der 8. Mai, ein Tag, um auf dem Menschsein zu bestehen

Der Faschismus hat seit jeher das Ziel, jegliche Opposition, gesellschaftliche Kultur, Vielfältigkeit, Unterschiedlichkeit und damit die Lebendigkeit einer Gesellschaft zu vernichten. Es ist die brutalste Form des Staates, alle Werte, die eine Gesellschaft ausmachen, zu zerstören, der Gesellschaft ihre Gesellschaftlichkeit zu rauben und sie zu einer homogenen und gleichzeitig egoistischen Masse werden zu lassen. Und so übertreiben wir nicht, wenn wir dem Faschismus unser Menschsein entgegenstellen, wie auch im Widerstand gegen den Nationalsozialismus so viele Widerständler auf ihr Menschsein bestanden haben. 

Der 8. Mai, ein Tag, die faschistische Kontinuität zu durchbrechen

Auch wenn wir davon sprechen, dass der 8. Mai der Tag der Befreiung ist, so ist er aber in erster Linie der Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus unter Hitler und keineswegs vom Faschismus an sich. Auch nach dem 8. Mai bis heute existierten und existieren die faschistischen Ideologien weiter. Parteien wie die AfD, Bewegungen wie Pegida und bewaffnete Zellen faschistischer Organisationen sind nur einige Beispiele hierfür. Zudem wurden nur wenige, die für die Ermordung von Tausenden politischen Aktivist*innen und Millionen von Jüdinnen und Juden verantwortlich waren, zur Verantwortung gezogen und auch in heutigen Gesetzen und Institutionen der Bundesrepublik ist die Kontinuität klar erkennbar. Der 8. Mai ist also auch ein Tag, an welchem wir uns dieser Kontinuität entgegenstellen müssen.

Der 8. Mai, ein Tag, den Faschismus in seiner Tiefe zu begreifen

Es ist schwer, angesichts des Grauens, des Mordens, des Elends, des Leids und Genozids, angesichts dieser Unfassbarkeit, den Faschismus einzuordnen und zu begreifen - will er sich doch jeder Erklärung entziehen. Doch wir müssen ihn entmystifizieren, ihn einordnen in konkrete fassbare und benennbare Dynamiken und Entwicklungsprozesse, um ihm erfolgreich die Stirn bieten zu können. Der Faschismus ist aus den Widersprüchen zwischen dem Staat als die Zentralisierung und Monopolisierung der Macht und den demokratischen, freiheitlichen Kräften zu erklären. Er lässt sich einordnen in die Krisenentwicklung des staatlichen, kapitalistischen Systems, aus welcher heraus die Machtmonopole von Kapital und Staat die gesamte Gesellschaft unter ihre Kontrolle zu bringen versuchen und die revolutionären Kräfte in dieser zu brechen. Der Faschismus zeugt von der Angst der Herrschenden vor der politischen Gesellschaft, welche ihre Selbstbestimmung gegen den Staat einfordert, von den sozialistischen Räterepubliken und Kommunen in Europa bis zum Aufbau der Demokratischen Autonomie in Kurdistan.

Aus dieser Angst geht die Bourgeoisie eine Verbindung mit dem Faschismus ein und gibt einen Teil ihrer politischen Macht auf, um wenigstens die alte Ordnung der Besitzverhältnisse zu sichern.

Der Faschismus geht aber auch einher mit der Mobilisierung der Massen. So kündete sich die faschistische Herrschaft durch Pogrome und Hinrichtungen paramilitärischer Gruppierungen an. Diese sind die Deklassierten, die von ihren Gesellschaften entfremdeten, entwurzelten Individuen, die von einem Tag auf den anderen Macht über Leben und Tod anderer erhalten haben. Sie sind gebrochen worden durch das System, in dessen Dienst sie sich stellten. Es sind die autoritären Persönlichkeiten, welche nach oben buckeln und nach unten treten.

Dass diese faschistischen Kräfte aber im Kampf gegen die antifaschistischen, sozialistischen und anarchistischen Kräfte siegen können, ist den staatstragenden Kräften zu verdanken, welche sich im Moment der sozialen Revolution auf die Seite einer diktatorischen, totalitären und faschistischen Ordnung stellen.

Der 8. Mai, ein Tag, die Revolution von Rojava zu verteidigen

Diese Strategie der Herrschenden ist keine, die der Vergangenheit angehört. Vielmehr ist sie zur permanenten Tendenz geworden. Eines der offensten faschistischen Regime unserer Tage ist das AKP/MHP-Regime in der Türkei. Wie der Faschismus an sich richtet sich auch dieser gegen die politische Gesellschaft, welche ihre Selbstbestimmung gegen den Staat einfordert und durchzusetzen versucht. Die kurdische Befreiungsbewegung wurde zur existenziellen Bedrohung der Macht, welche tagtäglich die Gesellschaften ausbeutet und versucht sie zu vernichten. Der Widerstand gegen den türkischen Faschismus ist dabei zugleich ein internationalistischer Kampf gegen den Faschismus an sich. Schon immer war der türkische Faschismus Beispiel und Inspiration für die faschistischen Regime in Europa. Sein Erfolg stärkte auch die faschistischen Entwicklungen in Deutschland und Italien. So sind auch die antifaschistischen Kämpfe miteinander verbunden. Der Kampf gegen die finanzielle, politische und besonders militärische Unterstützung des türkischen Regimes durch die deutsche Regierung und Unternehmen bedeuten auch eine Schwächung des türkischen Faschismus. Genau wie auch der Widerstand gegen den türkischen Faschismus der Guerilla in den Bergen Kurdistans, der Selbstverteidigungskräfte in Rojava und in den Städten Nordkurdistans unsere Kämpfe in den Metropolen verstärkt.

Und somit ist der 8. Mai nicht nur ein Tag des Feierns, des Gedenkens und des Versprechens, sondern auch ein Tag des politischen Kampfes für ein freie Gesellschaft überall.