15. Juni – Gedenktag an den Genozid an den Suryoye

Am 15. Juni begehen Suryoye den Jahrestag des „Sayfo“ – aramäisch für „Schwert“. Das Wort wurde Synonym für den Genozid an den syrischen Christen, deren Population auf dem Gebiet der heutigen Türkei 1915 fast vollständig vernichtet wurde.

Als „Sayfo“ oder „Seyfo“ sind die Ereignisse von 1915 ins kollektive Gedächtnis der Suryoye gebrannt. Ähnlich wie die Armenier, Pontosgriechen und andere nicht-muslimische Bevölkerungsgruppen im Osmanischen Reich wie die Eziden wurden auch sie im Verlauf des Ersten Weltkriegs Opfer eines Genozids unter Verantwortung der jungtürkischen Regierung. Mindestens 500.000 – dem UNHCR zufolge sogar 750.000 – Aramäern, Assyrern und Chaldäern kostete dieser Völkermord das Leben, steht jedoch im Schatten des Genozids an den Armeniern. Der in Hesekê geborene Historiker Joseph Yacoub bezeichnet „Sayfo“ sogar als „versteckten Völkermord“, weil die Wissenschaft diesem Ereignis kaum Aufmerksamkeit zuteilwerden ließ. 

Der aramäischsprachige Begriff Sayfo bedeutet wörtlich „Schwert“. Er bezieht sich auf das Abschlachten von wehrlosen Opfern und beinhaltet nicht die weiteren Straftatbestände, die den Genozid an Suryoye ausmachten. Ihr Siedlungsraum ist weitgedehnt und umfasst Regionen in den heutigen Staaten Türkei, Iran und Irak. Als eigentliches historisches Zentrum gilt Beth Nahrin, das Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris. Die Zahl der Vorkriegsbevölkerung im Osmanischen Reich wird auf etwa eine Million geschätzt. Somit wurde fast jeder zweite Angehörige der Suryoye beim Völkermord ermordet. Solche, die überlebten, wurden im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts nahezu vollständig aus ihrer Heimat verdrängt. Die meisten Suryoye wanderten nach Europa aus, etwa 100.000 leben in Deutschland.

Die Türkei als rechtliche Nachfolgerin des Osmanischen Reichs leugnet den Genozid an den christlichen Bevölkerungsgruppen und nennt die systematischen Massaker in Vernichtungsabsicht „traurige Ereignisse“, die sich unter den Bedingungen des Ersten Weltkrieges zugetragen haben. Für den Völkermord an den Armeniern wird offiziell sogar die Bezeichnung „armenische Behauptungen bezüglich der Ereignisse von 1915“ verwendet. Auch die Einstufung von Sayfo als Genozid wird strikt abgelehnt.

Andere Länder dagegen, darunter auch Deutschland, Österreich und die Schweiz, gehen sehr wohl davon aus, dass der Armenier-Genozid einen Völkermord im Sinne der UNO-Konvention darstellt. Doch eine internationale Anerkennung des Genozids an den Suryoye, vergleichbar mit dem an den Armeniern, gibt es bislang nicht, obwohl sich Suryoye bereits seit Jahren um eine Anerkennung ihres Leids bemühen. Zuletzt hatte der europaweite Dachverband European Syriac Union (ESU) eine Online-Petition gestartet, in der vom Europäischen Parlament die Anerkennung des Sayfo gefordert wird. Die Interessenvereinigung mahnte, dass der Genozid an den Suryoye in der Türkei bis heute andauert, und Europa sich an die Seite der historischen Wahrheit und Gerechtigkeit stellen sollte.