„Die EU, die Türkei, der Nahe Osten und die Kurd:innen“
Die 19. Ausgabe der von der EU Turkey Civic Commission (EUTCC) organisierten Konferenz „Die Europäische Union, die Türkei, der Nahe Osten und die Kurd:innen“ ist am Donnerstagabend im Europäischen Parlament in Brüssel mit einer Reihe weitreichender politischer Forderungen zu Ende gegangen. Zwei Tage lang diskutierten Politiker:innen, Wissenschaftler:innen und Aktivist:innen über Wege zur Demokratisierung der Türkei und der Region sowie über eine friedliche Lösung der kurdischen Frage.
Den Abschluss bildete ein Panel unter dem Titel „Demokratie fördern und Zukunft gestalten“, moderiert von Dr. Delal Aydın von der Universität Genf. Besonders im Fokus standen Beiträge zur Rolle der Frauenbewegung sowie zur geopolitischen Neuausrichtung und den demokratischen Perspektiven der kurdischen Bewegung.
Frauen im Zentrum der Demokratiebewegung
Die erste Rednerin, Şîlan Fuad Hisên vom Institut für Häusliche Gewalt, Religion und Migration, hob die globale Bedeutung der kurdischen Frauenbewegung hervor. „Die kurdische Frauenbefreiungsbewegung hat sich mit dem internationalen Feminismus verbunden und ist zu einem globalen Symbol geworden“, erklärte sie. Besonders die Demokratische Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien (DAANES) sei zum Vorbild für gleichberechtigte politische Strukturen geworden. Die dort praktizierte genderparitätische Doppelspitze – das Ko-Vorsitz-System – bei dem alle politischen Ämter von einer Frau und einem Mann geleitet werden, ermögliche es Frauen, eine aktive und gleichberechtigte Rolle in der Gesellschaft zu spielen.
Hisên betonte, dass Frauen überall ohne Angst Widerstand leisten – ob in den Gefängnissen von Diyarbakır (ku. Amed), in den Guerillagebieten in den Bergen oder in den Kommunalverwaltungen. „Ohne Frauen ist Demokratie nicht möglich“, sagte sie und erinnerte daran, dass die kurdische Frauenbewegung selbst in den dunkelsten Zeiten Hoffnung und Orientierung gebe.
Demokratischer Wandel braucht klare Haltung
Nilüfer Koç, Vertreterin des Komitees für Außenbeziehungen des Nationalkongress Kurdistans (KNK), mahnte zur aktiven Förderung von Demokratie angesichts zunehmender autoritärer Tendenzen weltweit. Sie verwies auf den Friedensaufruf des seit 1999 in der Türkei inhaftierten kurdischen Vordenkers Abdullah Öcalan vom 27. Februar als einen historischen Wendepunkt. Die Reaktion der PKK mit einem einseitigen Waffenstillstand zeige die Dialogbereitschaft der kurdischen Seite.
„Wenn wir Demokratie fordern, müssen wir sie auch verteidigen“, sagte Koç. Die internationale Gemeinschaft dürfe sich nicht länger mit leeren Appellen an autoritäre Machthaber wie Erdoğan oder Trump begnügen, sondern müsse konkrete politische Verantwortung übernehmen. „Wir, die Völker, brauchen Demokratie – nicht die Diktatoren“, so Koç.
Abschlussresolution mit klaren Forderungen
Zum Ende der Konferenz verlas die Ärztin Dr. Dersim Dağdeviren, die auch Ko-Vorsitzende von Kurd-Akad ist, die Abschlussresolution. Darin wird betont, dass der jüngste Friedensaufruf von Abdullah Öcalan eine historische Chance für die gesamte Region darstelle. Die Konferenzteilnehmenden forderten die internationale Gemeinschaft auf, diesen Prozess aktiv zu unterstützen und konkrete Schritte zur Friedensförderung zu unternehmen.
Zu den zentralen Forderungen der Resolution gehören:
· Ein Ende der türkischen Militäroperationen in Nordsyrien und dem Irak, die als völkerrechtswidrig eingestuft werden.
· Die Abschaffung des Zwangsverwaltersystems in den Kommunen Nordkurdistans.
· Sofortige politische und rechtliche Maßnahmen, um den Friedensprozess voranzubringen.
· Die Freilassung Abdullah Öcalans, die als entscheidend für den Erfolg des Friedensprozesses betrachtet wird.
Darüber hinaus richtet die Resolution klare Appelle an die Europäische Union und den Europarat:
· Die Anerkennung der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien als demokratischer Bestandteil eines künftigen pluralistischen Syriens.
· Die umgehende Umsetzung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im Fall Öcalan.
· Den Einsatz aller politischen Instrumente zur Förderung einer politischen Lösung der kurdischen Frage sowie zur Demokratisierung der Türkei und des Nahen Ostens.
· Die Streichung der PKK von der EU-Terrorliste, um ein starkes Signal für den Friedensprozess zu setzen.