Tev-Eko warnt vor Umweltkatastrophe

Die Europäische Ökologie-Bewegung für Kurdistan (Tev-Eko) skizziert die fatalen ökologischen Folgen eines möglichen Dammbruchs in Tişrîn. Sie fordert den sofortigen Stopp der Bombardierungen des Staudamms, der knapp zwei Milliarden Kubikmeter umfasst.

In einer aktuellen Erklärung äußert sich die Europäische Ökologie-Bewegung für Kurdistan (Tev-Eko) zu der akuten Gefahr des Zusammenbruchs des Tişrîn-Staudamms durch die anhaltenden türkischen Luftschläge:

Ökologisch vielfältigste Region in akuter Gefahr

„Die Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES), zu der auch die kurdisch besiedelten Gebiete von Rojava gehören, hat erklärt, dass der Tişrîn-Damm am Euphrat aufgrund der intensiven Angriffe des türkischen Militärs und der mit ihm verbundenen dschihadistisch-terroristischen Gruppen kurz vor dem Zusammenbruch steht. Die Selbstverwaltung betonte, dass die Zerstörung dieser gewaltigen Wasserressource mit einer Kapazität von 1,9 Milliarden Kubikmetern, das biologische Leben in einem langen Abschnitt des Euphrattals bedroht. Dieses Areal ist ökologisch gesehen die vielfältigste Landschaft der Region. Die DAANES hat die internationale Gemeinschaft aufgefordert, sich zu solidarisieren, bevor es zu dieser erheblichen Zerstörung kommt.

Existenzrecht der kommenden Generationen

Seit mehreren Jahren zerstören der türkische Staat und seine dschihadistischen Proxytruppen Getreidesilos, Strom- und Wasserinfrastruktur sowie zivile Wohngebiete der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien mit Kriegsmaschinerie. Angriffe auf die Lebensmittel-, Wasser- und Stromversorgungsinfrastruktur verursachen Verwüstungen, die sich auch auf künftige Generationen auswirken werden. Während der Nahe Osten von einer schweren Dürre bedroht ist, werden Wasserressourcen und Infrastruktur bewusst angegriffen. Diese Angriffe zielen nicht allein auf die Menschen in der Autonomieverwaltung, sondern auf alle Lebewesen in der Region.

Die gezielte Zerstörung ökologischer Ressourcen ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Diese Luftschläge stellen Kriegsverbrechen dar. Durch die Zerstörung der Ressourcen wird den kommenden Generationen das Existenzrecht genommen. Die Angriffe werden die Region für Generationen trocken und leblos zurücklassen, die starken Verschmutzungen durch die Verwüstungen des Krieges werden ihre Zukunft prägen.

Vernichtung könnte bis in den Irak reichen

Zum jetzigen Zeitpunkt ist klar, dass die Fortsetzung dieses Krieges zu einer unumkehrbaren Zerstörung führen wird. So ist beispielsweise die Beschädigung des stromabwärts gelegenen Tabqa-Damms zu vermuten. Der Tabqa-Damm ist sowohl von der Höhe wie auch der Wasserspeicherung um ein Vielfaches größer als der Tişrîn-Damm. Es ist sogar möglich, dass der Tabqa-Damm völlig zerstört wird und eine daraus resultierende riesige Wasserwelle Menschenleben, Infrastruktur sowie ökologisches Leben bis nach Deir ez-Zor und in den Irak vernichtet.

UN muss tätig werden

Die 27 Prinzipien zum „Schutz der Umwelt im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten" (PERAC), die im Dezember 2022 von der UN-Generalversammlung verabschiedet wurden, bilden den grundlegenden Rahmen des internationalen Rechts zur Verhütung der Ausbeutung der Umwelt in Kriegen und bewaffneten Konflikten. Auf dieser Grundlage fordern wir die Vereinten Nationen (UN) und alle zuständigen internationalen Institutionen auf, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und Maßnahmen zu ergreifen.

Fluchtursachen verhindern

Wir appellieren auch an die Behörden und Regierungen in Europa: Die Zerstörung des Staudamms würde ein riesiges Gebiet betreffen und Hunderttausende von Menschen vertreiben. In einem solchen Fall wäre eine neue Massenmigration und -flucht, insbesondere in die europäischen Länder, unvermeidlich. Soll die Schaffung einer weiteren gravierenden Fluchtursache vermieden werden, müssen sofort die notwendigen Schritte unternommen werden, um die Angriffe zu stoppen.

Gefahr durch „IS"

Darüber hinaus gibt es in der Region Lager und Gefängnisse, in denen Tausende „IS"-Terroristen und mehrere zehntausend Familienangehörige von der Autonomieverwaltung unter Kontrolle gehalten werden. Im Falle der Zerstörung des Tişrîn-Staudamms und den daraus resultierenden politischen Herausforderungen könnte die Kontrolle über diese Einrichtungen verloren gehen. Wir wollen uns die Sicherheitsrisiken, die in einer solchen Situation entstehen würden, gar nicht erst vorstellen.

Schlüsselrolle der Demokratischen Selbstverwaltung

Angesichts der jüngsten Entwicklungen im syrischen Bürgerkrieg, die zu einem Regimewechsel geführt haben, kommt der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien eine Schlüsselrolle für den Entwicklungsprozess eines stabilen und demokratischen Syriens zu. Daher ist die Annäherung an die autonome Region ein wesentlicher Schritt für den Aufbau einer stabilen Zukunft in Syrien.

Wir möchten auch an die Öffentlichkeit, die für ökologische Fragen sensibel ist, sowie an alle demokratischen Kreise appellieren: Wir sind erneut mit Angriffen der Türkei und ihrer Proxytruppen konfrontiert, die eine Wasserressource zu einer strategischen Waffe gegen die Gesellschaft und die lebendige Natur machen. Die DAANES hat sich in den letzten dreizehn Jahren mit einer demokratischen, ökologischen und frauenbefreienden Perspektive entwickelt. Diese Struktur zu schützen, ist unsere oberste Pflicht. In diesem Sinne rufen wir alle dazu auf, ihre Stimme zu erheben und den Angriffen stärkere Reaktionen folgen zu lassen.

Wir werden unsere Solidarität mit der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien, in der demokratisches und ökologisches Bewusstsein ein Grundprinzip ist, weiterhin verteidigen und stärken."

Die Europäische Ökologie-Bewegung für Kurdistan

Die Europäische Ökologie-Bewegung für Kurdistan (Tev-Eko) hat sich neu gegründet. Sie begreift sich in Solidarität mit den Ökologiebewegungen in Kurdistan.