Offener Brief gegen Zerstörung von Hasankeyf

In einem offenen Brief an Außenminister Heiko Maas fordern die Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke und Gökay Akbulut (DIE LINKE) den Erhalt der über 12.000 Jahre alten nordkurdischen Stadt Hasankeyf, die unter einem Staudamm verschwinden soll.

In einem offenen Brief an das deutsche Außenministerium fordern die Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke und Gökay Akbulut (DIE LINKE) den Erhalt der über 12.000 Jahre alten nordkurdischen Stadt Hasankeyf (kurdisch: Heskîf). Die Kulturstätte in der Provinz Batman (Êlih) auf dem Gebiet des antiken Mesopotamiens, deren Wurzeln bis in die Bronzezeit reicht, ist ein einmaliger Ort der Menschheitsgeschichte: 20 östliche und westliche Kulturen haben hier ihre Spuren hinterlassen. 5.500 Höhlen, hunderte bisher entdeckte Monumente und eine faszinierende Verwobenheit mit Felsen und dem Tigris geben dem Ort globale Bedeutung. Nach Meinung von Experten erfüllen Hasankeyf und das umliegende Tigris-Tal - eines der letzten erhaltenen großen Flussökosysteme in der Türkei - neun von zehn Kriterien für eine Eintragung als UNESCO-Weltkulturerbe, und bildet die Lebensgrundlage für bis zu 100.000 Menschen. Doch nach dem Willen der türkischen Regierung soll die historische Stadt für das auf 50 Jahre Betriebsdauer angelegte Ilisu-Wasserkraftwerk, eines der weltweit umstrittensten Talsperrenprojekte, untergehen.

Die Flutung war zunächst für den 10. Juni angekündigt worden. Nach internationalen Protesten im Rahmen der dritten globalen Aktionstage für Hasankeyf am 7. und 8. Juni konnte die Aufstauung vorübergehend verschoben werden. Doch vor zwei Wochen hat ohne Vorwarnung die Flutung von Hasankeyf begonnen. Angesichts dessen appellieren Ulla Jelpke und Gökay Akbulut an Außenminister Heiko Maas, sich für den Erhalt von Hasankeyf und dem Tigris-Tal einzusetzen und entsprechende Bedenken gegenüber der türkischen Regierung zu verdeutlichen:

Noch ist es nicht zu spät, Hasankeyf und das Tigris-Tal zu retten

Sehr geehrter Herr Außenminister,

wir schreiben Ihnen in großer Sorge um die Folgen des Ilisu-Großstaudammprojektes im Südosten der Türkei für die örtliche Bevölkerung und Umwelt, für das kulturelle Erbe vieler Zivilisationen aber auch den Frieden in der Region.

Vor ca. zwei Wochen wurden die Schleusen des Staudammes geschlossen – ohne jede Information an die Öffentlichkeit und die Bevölkerung im Tigris-Tal. Seitdem füllt sich der Stausee. Schon im November könnte die 12.000 Jahre alte antike Stadt Hasankeyf mit ihren einzigartigen Monumenten aus zahlreichen vergangenen Zivilisationen in den Fluten versinken.

Das Ökosystem des Tigris wird durch den gigantischen 313 Quadratkilometer großen Stausee irreparabel beschädigt. Auch Schäden für das Klima in der Region sind zu erwarten. Rund 80.000 Menschen werden aus Hasankeyf und 199 umliegenden Dörfern weitgehend entschädigungslos vertrieben. Ohne ihre Felder bleibt diesen von der Landwirtschaft abhängigen Menschen nur ein Leben in den Slums der nächsten Großstädte. Einige wollen auch die gefährliche Flucht nach Europa antreten. Schließlich trägt die Aufstauung des Tigris zu Spannungen mit dem Nachbarland Irak bei. Die dortige Landwirtschaft droht in Mitleidenschaft gezogen zu werden und die als UNESCO- Welterbe eingestuften südmesopotamischen Sumpflandschaften können austrocknen.

Vor zehn Jahren zogen sich die Exportrisikoversicherer Deutschlands, Österreichs und der Schweiz wegen fehlender Auflagen für den Umwelt- und Kulturschutz von dem Ilisu-Projekt zurück. An der damals festgestellten Problematik hat sich seit dem nichts geändert. Wir bitten Sie daher, sich für den Erhalt von Hasankeyf und dem Tigris-Tal einzusetzen und entsprechende Bedenken gegenüber der türkischen Regierung deutlich zu machen. Denn noch ist es nicht zu spät, die Flutung wieder zu stoppen.