Die „ZAD de la colline” auf dem Mormont-Hügel im Schweizer Kanton Waadt ist geräumt worden – unter Einsatz von Tränengas und Gummischrot. Seit Oktober versuchten rund 150 ZADisten, wie sich die Besetzerinnen und Besetzer selbst nennen, das Ökosystem des Hügels oberhalb von Lausanne zu schützen. Mit der Zeit hatte sich eine ökologische, feministische und antikapitalistische Lebensgemeinschaft gebildet, die ein Beispiel für eine mögliche alternative Lebensweise aufzeigte. Dagegen waren bei der Räumung 150 Polizisten in Kampfmontur im Einsatz, neben Wasserwerfern stand sogar ein Räumungspanzer der Schweizer Armee bereit.
Die Räumung des Hügels begann gegen 8.15 Uhr. Die Polizei traf bereits im Morgengrauen mit einem Großaufgebot ein, um die Beteiligten der Besetzung zu vertreiben. Danach begannen die Sicherheitskräfte, einzelne ZADisten vom Gelände zu tragen. Mit Kettensägen wurden Barrieren entfernt, die den Zugang in die ZAD (Zone à Défrendre) – eine zu verteidigende Zone – blockierten. Um 15 Uhr drang die Polizei ins Hauptquartier der Besetzung ein. In einer ersten Zwischenbilanz sprach die Waadländer Kantonspolizei später von 41 Festnahmen und Dutzenden Identitätskontrollen. 38 Personen durften gehen und wurden zum Bahnhof begleitet.
Foto: Klimastreik Schweiz
Das besetzte Gelände auf dem Mormont ist im Besitz des internationalen Konzerns LafargeHolcim, dem weltweit größten Zementproduzenten, der seit 1953 eine Zementfabrik auf dem Hügel betreibt. Der Schweizer Ableger produziert hier jährlich 800.000 Tonnen Zement und emittiert dabei 400.000 Tonnen CO2. Im Jahr 2022 wird der Steinbruch die Grenze seines genehmigten Betriebsbereichs erreichen, weshalb Holcim dessen Ausdehnung so schnell wie möglich genehmigt bekommen möchte. Die Erweiterung der Steingrube würde aber nicht nur weitere Emissionen fördern, sondern konkret die rare Biodiversität des Mormonts zerstören. Auf sehr kalkreichen Boden gedeihen seltene Orchideenarten, außerdem beherbergt der Hügel seltene Schlangenarten. Deshalb gehört er zu den „Landschaften und Naturdenkmälern von nationaler Bedeutung”. Außerdem handelt es sich um eine wichtige archäologische Stätte, die als europäisches Kulturerbe eingestuft ist. Eine Erweiterung des Steinbruchs würde somit auch keltisches Erbgut zerstören, das auf dem Hügel liegt.
Die NGOs Association pour la Sauvegarde du Mormont (ASM) und Pro Natura versuchen gegen die Erweiterung der Mine vorzugehen und haben beim Bundesgericht Einspruch gegen die Ausbaupläne des Zementkonzerns eingereicht. Der Kanton hat den Ausbau bereits gutgeheißen. Bis jetzt wurde noch kein Bundesgerichtsentscheid gefällt. Sowohl Holcim als auch die an den Mormont grenzende Gemeinde La Sarraz leiteten zwischenzeitlich rechtliche Schritte ein, um die ZADisten zu vertreiben. Diese versuchten, in Berufung zu gehen, jedoch ohne Erfolg, was den Weg für ihre Räumung ebnete.
Die Unterstützung für die Besetzung hatte sich in den letzten Tagen vervielfacht. So demonstrierten am Freitag in Lausanne rund 1.500 Menschen nach einem Aufruf von Klimastreik Schweiz für das Anliegen der ZAD de la colline. Der Zementmulti LafargeHolcim ist aber nicht nur wegen seiner Umweltzerstörung umstritten, sondern auch wegen Schutzgeldern an die Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) und andere islamistische bewaffnete Gruppierungen. Trotz des 2011 ausgebrochenen Krieges in Syrien hatte LafargeHolcim seinen Standort Çelebiyê im Südosten von Kobanê bis 2014 weiterbetrieben. Vor Ort wurden Gelder an Dritte gezahlt, um Absprachen mit islamistischen Gruppierungen auszuhandeln, damit die Produktion weitergehen konnte, wie LafargeHolcim 2017 zugab. Währenddessen leisteten die YPG und YPJ Widerstand gegen die Besatzung von Kobanê durch den IS.