Kommentar: Haft für Klimaaktivismus

Eine Klimaaktivistin wurde vor dem Amtsgericht Tiergarten wegen Aktionen der sogenannten „Letzten Generation“ zu einem Jahr und vier Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Die Strafe ist noch nicht rechtskräftig.

Dort, wo Widerstand schmerzhaft wird, wird versucht, ihn durch repressive Exempel zu ersticken. So ist es nur folgerichtig, dass die Bundesregierung, während sie weiter Hand in Hand mit dem Kapital ihren Beitrag zur globalen Klimakatastrophe leistet, Klimaaktivist:innen kriminalisieren lässt. Die Justiz sekundiert der Lynchstimmung gegen Klimaprotest und verhängt exemplarische Strafen für Bagatelldelikte. Vor dem Amtsgericht Tiergarten wurde eine Aktivistin unter Vorwurf der Sachbeschädigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Nötigung zu einem Jahr und vier Monaten Haft verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Was hatte die 32-Jährige getan, um eine solche Haftstrafe zu rechtfertigen? Sie hatte sich 2022 und 2023 an Straßenblockaden beteiligt und sich festgeklebt, eine umstrittene Protestform, die aber nicht über den Bereich des zivilen Ungehorsams hinausgeht und in der Konsequenz weitaus harmloser war als die massiven Blockaden der Bauernverbände im Jahr 2024. Das Besprühen der Fassade des Bundesverkehrsministeriums mit oranger Farbe, in einer spektakulären Aktion mithilfe eines angemieteten Feuerwehrautos, fällt ebenfalls in diese Kategorie. Angesichts der Tatsache, dass das Verkehrsministerium unter FDP-Ägide von zehnspurigen Autobahnen schwadroniert und als langer Arm der Lobby der Automobilindustrie agiert und damit direkt für die Folgen von Feinstaubbelastung, CO2-Ausstoß und Autounfällen mitverantwortlich zu machen ist, ist ein wenig orange Farbe sicherlich das geringere „Verbrechen“. Auch das Markieren von Luxusboutiquen am Kurfürstendamm mit oranger Farbe, ist allenfalls eine Bagatelle.

Das macht auch das Gericht klar. Es geht ihm nicht um die einzelnen Aktionen, sondern, dass die Aktivistin bereits in anderen Verfahren zu Geldstrafen verurteilt wurde. Damit wird klar, dass hier unbeugsames Engagement gebrochen werden soll. Das kann nur als Ausdruck politischer Justiz verstanden werden. Statt nun der Kriminalisierung nachzugeben, muss eine Debatte über effektiven und effizienten Widerstand gegen die kapitalistische Moderne und die von ihr verursachte Klimakatastrophe geführt werden.

Dazu ist auch eine offene Debatte über die Wahl der Mittel und ihre Vermittelbarkeit notwendig – denn Aktionen können so spektakulär sein wie sie wollen, nur soziale Bewegung und gesellschaftliche Organisierung können nachhaltig Veränderung bewirken. Dies sollte auch das Primat des Aktivismus sein. Gleichzeitig gilt es, Solidarität mit inhaftierten Aktivist:innen aus allen emanzipatorischen Kämpfen aufzubauen und sich zu überlegen, wie der Kampf drinnen und draußen fortzusetzen ist.

Titelbild: Berlin, November 2023 (c) Archiv der Sozialen Bewegungen