Das Bündnis Ende Gelände hat eine Sommeraktion für Klimagerechtigkeit im Großraum Hamburg angekündigt. Für eine Aktionswoche in und um die norddeutsche Hafenstadt werde für den 9. bis 15. August ein Klimacamp aufgebaut, teilte die Bewegung am Donnerstag mit. Ende Gelände will sich insbesondere gegen den fossilen Rollback und den Ausbau fossiler Gasinfrastruktur wenden und die globalen Ungerechtigkeiten in den Mittelpunkt rücken, die sich mit den Plänen für Terminals von Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas, kurz: LNG) an der Elbmündung verbinden.
„Die Klimakrise spitzt sich zu. Vor allem im globalen Süden drohen Dürren, Hungersnöte und Vertreibung“, erklärte Luka Scott, Pressesprecherin von Ende Gelände. Doch während radikale systemische Veränderungen ausblieben, treibe der „Energiehunger des fossilen Kapitalismus“ immer neue Blüten. Energiepartnerschaften mit autoritären Staaten wie Katar oder Fracking-Gas aus den USA und Argentinien gingen auf Kosten der Menschen im globalen Süden und von indigenen Gemeinschaften“, kritisierte Scott.
Was ist Fracking und wie funktioniert es?
Der Begriff Fracking steht für „Hydraulic Fracturing“. Es handelt sich um eine Methode zur Förderung von Gas- und Ölvorkommen, die nicht in großen Blasen im Untergrund gespeichert sind, sondern im Gestein festsitzen (sogenannte unkonventionelle Lagerstätten). Dieses wird hydraulisch aufgebrochen, das heißt, über Bohrungen wird mit hohem hydraulischem Druck ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in die tiefen Gesteinsschichten eingepresst, um Risse zu erzeugen oder bestehende Risse zu weiten. Bei dem Gestein handelt es sich oft um Tongesteine, darum spricht man umgangssprachlich auch von Schiefergas. Wenn darin Erdgas oder Erdöl enthalten ist, dann kann dieses durch den Prozess freigesetzt und durch Bohrleitungen an die Oberfläche geleitet werden. Doch der Treibhausgasfußabdruck bei der LNG-Förderung ist noch größer als der von Kohle. Der Grund ist nicht nur das CO2, das bei der Verbrennung von Erdgas entsteht. Erdgas besteht zu einem großen Teil aus Methan, einem Gas, das sogar um den Faktor 20 klimaschädlicher ist als Kohlendioxid. Und schon während der Arbeiten am Bohrloch und bei der Gasförderung von Schiefergas entweichen beträchtliche Mengen Methan ungehindert in die Atmosphäre. Hinzu kommt: Auch wenn die Fracking-Bohrlöcher längst aufgegeben sind, kann noch Methan austreten. Umweltorganisationen befürchten darüber hinaus, dass die Fracking-Flüssigkeit über kurz oder lang durch Risse unkontrolliert in darüberliegende Grundwasserschichten eindringen könnte. Gefahr geht aber auch vom sogenannten Flowback aus, denn er könnte durch eine undichte Bohrloch-Ummantelung direkt in wasserführende Schichten gelangen - oder direkt in die Landschaft.
Finanzministerium gibt drei Milliarden frei
Schon im letzten Jahr hatte Ende Gelände mit Massenaktionen gegen den geplanten Bau eines LNG-Terminals in Brunsbüttel protestiert. Mehr als 2.000 Aktivist:innen der Klimagerechtigkeitsbewegung hatten sich an den Blockaden im ChemCoast Park beteiligt. In der Nachbarschaft von Produktionsanlagen der Öl- und Chemieindustrie ist dort ein Terminal für den Transport von flüssigem Erdgas nach Deutschland geplant. Bis zu vier schwimmende Flüssiggas-Terminals sollen in den kommenden zehn Jahren im Bundesgebiet gebaut werden. Dafür hat das Bundesfinanzministerium heute bis zu drei Milliarden Euro freigegeben, ohne vorher den Haushaltsausschuss des Bundestags hinzuzuziehen. Auch in Wilhelmshaven soll ein Erdgasterminal in Betrieb genommen werden. Um dieses an das Gas-Fernleitungsnetz anzubinden, soll im Landkreis Friesland noch bis Ende dieses Jahres eine 30 Kilometer lange Pipeline entstehen.
„Mehr fossiles Gas heißt mehr Methan in der Atmosphäre“
„Methan ist ein Brandbeschleuniger der Klimakrise“, begründete Ende-Gelände-Sprecherin Elia Nejem den Widerstand gegen neue Infrastruktur für Flüssiggas. Im letzten Jahr habe das hochriskante Klimagas bereits einen Rekordanstieg verzeichnet. „Mehr fossiles Gas heißt mehr Methan in der Atmosphäre“, hebt die Aktivistin hevor. Und mehr Fracking bedeute mehr Vertreibung, mehr Vergiftung von Trinkwasser und Böden. Auch durch die deutlichen Worte und Katastrophenszenarien des jüngsten Berichts des Weltklimarats IPCC sehen sich die Aktivist:innen von Ende Gelände bestärkt und zum Handeln gezwungen. Um das Ziel des Pariser Klima-Abkommens einzuhalten, muss Treibhausgas wieder aus der Luft geholt werden, sagt der IPCC. Die Weltgemeinschaft muss versuchen, den Geist wenigstens ein Stück weit zurück in die Flasche zu stopfen: Wenn die Erderhitzung durch Treibhausgase 1,5 Grad nicht überschreiten soll, dann muss ein Teil der schon ausgestoßenen Gase wieder aus der Atmosphäre entnommen werden. Der Einsatz von CO2-Entnahme sei „unvermeidbar“, wenn netto null Treibhausgasemissionen erreicht werden sollen, heißt es im jüngsten Bericht des Weltklimarats, der vergangene Woche veröffentlicht wurde.
Fossiler Kapitalismus unfähig für radikale Kehrtwende
„Die Wissenschaft sagt damit klarer als je zuvor: Wir müssen jetzt handeln oder wir verfehlen das 1,5-Grad-Ziel“, fasste Luka Scott zusammen. Doch der fossile Kapitalismus sei unfähig eine radikale Kehrtwende zu vollziehen. „Deshalb müssen wir den Ausstieg aus allen Fossilen selbst in die Hand nehmen.“ Dager will Ende Gelände in Hamburg „mit der Lüge vom sauberen Gas aufräumen, die kolonialen Kontinuitäten sichtbar machen und den Systemwechsel einleiten“. Der dortige Hafen ist ein wichtiger europäischer Umschlagplatz für Waren und Rohstoffe aus aller Welt. Er gilt auch als Drehscheibe für Waffen- und Atomtransporte. In Norddeutschland sollen mit den hohen Summen aus dem Steuertopf insgesamt drei Fracking-Häfen entstehen, unter anderem auch in Stade.
Bekannt für zivilen Ungehorsam gegen fossile Energien
Das Aktionsbündnis Ende Gelände ist bekannt für Massenaktionen zivilen Ungehorsams gegen fossile Energien und Energiekonzerne. Die großen Camps von Ende Gelände mit oftmals mehreren tausend Menschen gelten als Vernetzungsorte der Klimagerechtigkeitsbewegung mit internationaler Reichweite. 2021 war das Bündnis Teil des internationalen Aktionstags „Shale Must Fall” gegen den fossilen Gasausbau, Fracking und Kolonialismus im globalen Süden. Denn dort sind es Länder und Unternehmen des globalen Nordens, die das extrem umweltschädliche Fracking einsetzen. Im argentinischen Vaca Muerta etwa ist unter anderem das deutsche Unternehmen Wintershall DEA, dessen Hauptanteilseigner BASF ist, verantwortlich dafür, dass die offenen Adern des globalen Südens durch die Wasserwege Europas bluten – eine Fortsetzung kolonialer Formen der Ausbeutung.
Titelfoto: Aktionstag in Brunsbüttel am 31. Juli 2021 | © Ende Gelände / Tim Wagner