Der Widerstand im Akbelen-Wald geht weiter

Der Widerstand gegen die Abholzung des Akbelen-Waldes für die Braunkohleförderung in der türkischen Provinz Muğla geht weiter. Bei einem Besuch des CHP-Vorsitzenden Kemal Kılıçdaroğlu setzte die Polizei Wasserwerfer und Tränengas ein.

In Ikizköy in der Mittelmeerprovinz Muğla wehren sich Anwohner:innen weiter gegen die Abholzung des Akbelen-Waldes für die Braunkohleförderung. Heute hat der CHP-Vorsitzende Kemal Kılıçdaroğlu das Dorf besucht. Vor dem Besuch wurden außergewöhnliche Sicherheitsmaßnahmen ergriffen. Polizei und Gendarmerie sperrten das Gebiet ab und zwangen die Dorfbewohner:innen, sich beim Betreten des Gebiets einer Leibesvisitation zu unterziehen. Die Anwohnerin Melahat Çulha lehnte sich gegen diese willkürliche Praxis auf und erklärte: „Sie durchsuchen mich. Habe ich einen Mord begangen? Ich bin hierher gekommen, um Brot zu kaufen. Ich bin seit 60 Jahren hier heimisch, Sie können mir nicht meinen Ausweis wegnehmen! Schande über diesen Staat."


Der Widerstand in Akbelen erfährt große Solidarität. Aus Istanbul trafen neue Unterstützer:innen ein, darunter der HDP-Politiker Koray Türkay. Auch Mitglieder der Allgemeinen Arbeitergewerkschaft (Genel-İş), die dem Gewerkschaftsverband DISK angeschlossen ist, zeigten sich solidarisch. Als der CHP-Vorsitzende Kemal Kılıçdaroğlu eintraf, kam es zu einem Handgemenge. Bewohner:innen von Ikizköy meldeten sich einzeln zu Wort und berichteten über die Verfolgung, der sie ausgesetzt waren.

Kılıçdaroğlu erklärte, er werde den Fall weiterverfolgen, und stieg nach dem Besuch in sein Dienstfahrzeug, anstatt eine Inspektion im Wald vorzunehmen, was zu heftigen Reaktionen führte. Naturschützer:innen hielten das Fahrzeug an und verlangten, dass der CHP-Vorsitzende das Massaker an der Natur dokumentiert. Auf ihr Drängen hin fuhr Kılıçdaroğlu zu der Stelle, an der die Gendarmerie den Wald absperrte. Die Menschen, die mit ihm den Wald betreten wollten, wurden von den Sicherheitskräften daran gehindert. Die Polizei griff die Aktivist:innen mit Pfefferspray und Wasserwerfern an. Als die Abgeordnete Burcugül Çubuk von der Grünen Linkspartei (YSP) sich vor den Wasserwerfer stellte, um den Einsatz zu stoppen, wurde sie geschlagen und abgedrängt.

Die Menschenmenge wich angesichts des Angriffs der Sicherheitskräfte nicht zurück und durchbrach wiederholt die Barrikade. Der CHP-Abgeordnete Mahmut Tanal wurde ausgebuht, als er an die Aktivist:innen gerichtet sagte: „Ihr seid Opfer, aber auch die Polizei und die Gendarmerie sind Opfer." Eine Demonstrantin erklärte sichtlich wütend: „Wegen Leuten wie Ihnen haben wir die Wahlen verloren. Sie sind ein Provokateur der AKP." Tanal verließ daraufhin das Gebiet.

Akbelen-Wald soll für Braunkohle verschwinden

Der an das Dorf Ikizköy grenzende 740 Hektar große Akbelen-Wald im Kreis Milas soll abgeholzt werden, um das von der „Limak Holding“ betriebene Heizkraftwerk Yeniköy-Kemerköy mit Braunkohle zu versorgen. Das Kraftwerk wurde Ende des 20. Jahrhunderts nach polnischen Plänen gebaut und ist eigentlich am Ende der Lebensdauer angekommen. Der türkische Staat verlängerte die Laufzeit auf weitere 25 Jahre, ohne dringend nötige umwelttechnische Renovationen zu verlangen. Mehrere Dörfer wurden bereits zerstört und damit auch die Lebensgrundlagen von vielen Kleinbäuer:innen. Laut den Plänen der Limak Holding sollen weitere 40 Dörfer den Schaufeln der Kohlebagger weichen. Nachdem der Widerstand der Bevölkerung die Abholzung zwei Jahre lang verhindert hatte, sind am Montag Rodungsteams in Begleitung eines Großaufgebots an polizeilichen und militärischen Kräften angerückt, das Protestcamp wurde geräumt.