Australien: Ein Kontinent glüht
Die Buschbrände in Australien sind eine der schlimmsten Naturkatastrophen der jüngeren Menschheitsgeschichte. Gegen die Interessen der Konzerne muss eine andere Klimapolitik durchgesetzt werden.
Die Buschbrände in Australien sind eine der schlimmsten Naturkatastrophen der jüngeren Menschheitsgeschichte. Gegen die Interessen der Konzerne muss eine andere Klimapolitik durchgesetzt werden.
Kurzfristig sah es nach Entspannung aus. In den vergangenen Tagen begann es in einigen Teilen Australiens zu regnen. Der Kontinent wird seit Oktober 2019 von massiven Waldbränden heimgesucht. Doch jetzt warnen Meteorolog*innen bereits vor der nächsten großen Hitzewelle. Die Feuer werden Australien verändern. Denn mit den Bränden wächst auch die Wut der Menschen auf die Regierung und die Konzerne.
Die Menschen in Australien sind erschöpft. Während in der tagelang von Feuern eingeschlossenen südaustralischen Küstenstadt Mallacoota immer noch hunderte Menschen darauf warten, per Schiff gerettet zu werden, droht ein neues Riesenfeuer: An der Grenze der Bundesstaaten New South Wales und Victoria bewegen sich zwei Brände aufeinander zu. Zu löschen sind sie derzeit nicht, sie sind zu groß, und wegen des starken Windes verbreiten sich die Feuer so schnell, dass sie kaum gestoppt werden können. Bislang ist eine Fläche in der Größe von Irland den Flammen zum Opfer gefallen.
Täglich gehen neue Horrormeldungen über die Buschbrände um die Welt. In den sozialen Medien überschlagen sich Fotos von verbrannten Kängurus und Koalas. Es kursieren Videos von Feuerstürmen, die nicht nur Siedlungen zerstören, sondern auch Menschenleben kosten – mehr als zwei Dutzend Menschen sind bislang in den Feuern ums Leben gekommen. Betroffen sind vor allem die Küstenregionen im Norden, Süden und Osten des australischen Kontinents, aber auch diverse Regionen im Landesinneren. Es ist eine der schlimmsten Naturkatastrophen der jüngeren Menschheitsgeschichte.
Australien ist weltweit größter Kohleexporteur
Von anderen Katastrophen unterscheidet die Brände, dass es dieses Mal ganz klar ist, dass der Mensch für sie mitverantwortlich ist. Denn wenn auch viele Brände von Menschen gelegt werden oder durch Unachtsamkeit entstehen, möglich wären Feuer dieser Stärke nicht ohne jahrelange Hitzewellen und Dürre. Seit Jahren bleibt in Australien immer öfter der Regen aus, der Zusammenhang mit dem von Menschen mitverursachten Klimawandel wurde schon vielfach wissenschaftlich belegt. Trotzdem bremst die australische Regierung, eine Koalition der Liberalen und der rechtspopulistischen National Party in Sachen Klimaschutz. Gemeinsam mit Staaten wie den USA und Brasilien blockieren sie in internationalen Verhandlungen selbst kleine Schritte in Richtung Senkung von Treibhausgasen. Kein Wunder: Australien ist der weltweit größte Kohleexporteur. Und obwohl sich das Land für Solar- und Windkraft gut eignen würde, werden 94 Prozent des Stroms durch die Verbrennung von Kohle gewonnen.
Die Wut wächst
Mit der Zunahme von Feuern und anderen Naturkatastrophen wächst in Australien die Wut über diese Politik und den Einfluss der Kohlelobby, auch bei den Einsatzkräften: Der 57-jährige Feuerwehrmann Paul Parker aus der Ortschaft Nelligen wurde von einem auf den anderen Tag durch ein Video auf Twitter bekannt. Dort schimpft er auf die Regierung und wirft ihr Ignoranz vor. Er ist bei weitem nicht der einzige. In der politischen Landschaft Australiens wird die Klimakrise künftig wohl kein Thema mehr sein, das mit Verweis auf die Wirtschaft und auf Arbeitsplätze einfach beiseitegeschoben werden kann. Das hängt natürlich auch mit Fridays For Future zusammen. Seit einigen Monaten spielt die Protest- und Schulstreikbewegung auch in Australien zunehmend eine Rolle. In vielen australischen Städten sind „Fridays For Future“-Gruppen erst in den vergangenen Monaten entstanden. Beim letzten großen Streik waren es landesweit aber immerhin schon 300.000 Menschen. Für ein Land, in dem keine wirklich ausgeprägte Protestkultur besteht, ist das ein Erfolg.
Regierung auf Konfrontationskurs gegen Klimabewegung
Wie reagiert die australische Regierung auf die Kritik? Während andere Staatschefs versuchen, die Klimabewegung mit kleineren Zugeständnissen ruhig zu stellen – wie in Deutschland Ende letzten Jahres mit dem Klimapaket geschehen – gehen Premier Morrison und seine Minister auf Konfrontation mit der Klimabewegung. Als vergangenen Herbst Klimaaktivist*innen in Melbourne gegen eine Konferenz der Kohleindustrie demonstrierten, beschimpfte Premierminister Morrison sie als „maßlos und egoistisch“. Die Klimabewegung gefährde die Lebensgrundlage der Menschen in Australien. Wenige Monate später wirkt das auf viele wie blanker Hohn. Sind es doch die Auswirkungen des Klimawandels und nicht die Klimabewegung, die die Lebensgrundlagen der Menschen in Australien gerade bedrohen und teilweise schon zerstören.
Ökologische Zerstörung bedeutet ökonomisches Elend
Der australische Premier versucht weiterhin, die soziale und ökologische Frage gegeneinander auszuspielen: Klimaschutz versus Jobs und Wohlstand. Entscheidend für die weitere Entwicklung der australischen Klimapolitik wird wohl auch, inwieweit es der Klimabewegung gelingt zu zeigen, dass diese Rechnung nicht aufgeht. Dass, wie es Klimaaktivist*innen auch in Australien immer wieder herausstellen, die Zerstörung der ökologischen Lebensgrundlagen langfristig auch ökonomisches Elend bedeutet. Und dass eine andere Klimapolitik deshalb auch gegen die Interessen der Konzerne durchgesetzt werden muss.
Weltweit größte Steinkohlemine
Einer dieser Konzerne heißt Adani. Adani ist ein multinationaler Mischkonzern mit Sitz in Indien. Er befindet sich im Besitz des indischen Milliardärs Gautam Adani. Er will im Nordosten Australiens die weltweit größte Steinkohlemine errichten – trotz der Buschfeuer. Im Juni nahm das Unternehmen mit Zustimmung der Regierung des australischen Bundesstaates Queensland die letzte Hürde, um nach jahrelanger Lobbyarbeit mit dem Aufschluss der „Carmichael Coalmine" zu beginnen. Neben Fridays For Future kritisierten auch andere Bewegungen und NGOs wie Greenpeace die Pläne scharf. Die Kohlemine würde die Klimakrise weiter anheizen – und damit auch die Buschfeuer. Bis zu 60 Millionen Tonnen Kohle will Adani in Queensland jährlich fördern. Zum Vergleich: Deutschland importierte zuletzt knapp 40 Millionen Tonnen Steinkohle jährlich. Den Kritiker*innen Adanis geht es neben der Klimakrise und der ökologischen Zerstörung durch die Mine vor Ort auch um die indigene Bevölkerung in der Region. Das Land, auf dem die Kohlemine über viele Kilometer weit die Erde aufreißen soll, wird von den indigenen Völkern der Wangan und Jagalingou besiedelt. Die Mine würde weiter zur Zerstörung der Heimat dieser Menschen beitragen.
Protest gegen Siemens
Protest gegen Adani und die verfehlte australische Klimapolitik formiert sich derweil nicht nur in Australien selbst, sondern auch in Deutschland. Denn auch der deutsche Konzern Siemens ist an der geplanten Kohlemine beteiligt – im Dezember räumte das Unternehmen ein, Technik für die Eisenbahntrasse, auf der die Kohle abtransportiert werden soll, liefern zu wollen. Am Freitag will Fridays for Future deshalb auch an mindestens 20 Orten in Deutschland gegen Siemens demonstrieren. „Siemens rühmt sich damit, bis 2030 klimaneutral werden zu wollen, und unterstützt im selben Atemzug den Bau einer Kohlemine, deren Betrieb die Einhaltung der Klimaziele quasi unmöglich machen würde“, schreibt die Bewegung in einer Mitteilung. Die Proteste am Freitag stellen wohl nur den Auftakt dar: Am 2. Februar wollen Klimaaktivist*innen beim Unternehmenssitz von Siemens in München demonstrieren.