1. Mai in Istanbul: Bereits mehr als 200 Festnahmen

Gemäß der Entscheidung des Istanbuler Gouverneursamts gilt auch dieses Jahr am 1. Mai ein Versammlungsverbot auf dem Taksim-Platz. Mehr als 200 Personen sind bei dem Versuch, auf den Platz zu gelangen, festgenommen worden.

Versammlungsverbot am Taksim-Platz

Der Taksim-Platz im zentralen Istanbuler Stadtteil Beyoğlu ist seit gestern von der Polizei abgeriegelt. Alle Zufahrtswege sind mit Metallbarrieren versperrt. Wie jedes Jahr gilt auf dem Platz, auf dem am 1. Mai 1977 ein Massaker stattfand, ein Demonstrationsverbot.

Der Verband der Revolutionären Arbeitergewerkschaften (DISK), die Konföderation der Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes (KESK), die Türkische Ingenieur- und Architektenkammer (TMMOB) und der Türkische Ärztebund (TTB) riefen daher zur Feier des Internationalen Tags der Arbeit im Istanbuler Stadtteil Kadıköy auf.

Der Taksim-Platz ist für die Arbeiter:innenbewegung in der Türkei ein historisch und symbolisch wichtiger Ort und somit ein fester Bestandteil der Gewerkschaftskultur. Daher ruft das Demonstrationsverbot zum 1. Mai jährlich großen Protest hervor. Aufgrund des Aufrufs des Organisationskomitees zum Internationalen Tag der Arbeit versuchten heute zahlreiche Gewerkschaften und Institutionen, den Taksim-Platz zu betreten. Bei dem Versuch, auf den Platz zu gelangen, wurden sie von der Polizei daran gehindert und angegriffen.


Die Istanbuler Zweigstelle der progressiven Anwaltsorganisation ÇHD gab bekannt, dass mehr als 200 Personen in Gewahrsam genommen wurden. Unter den Festgenommenen befinden sich Murat Çepni, Ko-Vorsitzender der Sozialistischen Partei der Unterdrückten (ESP), sowie die Anwälte Rojhat Tunç, Saruhan Efe Kadaifçi, Lütfi Sabri Batı, Arkın Hürtaş und Yunus Emre Işık.

Mitglieder der Baugewerkschaft İnşaat-İş, die sich in Istanbul-Mecidiyeköy zu einem Marsch zum Taksim-Platz versammelt hatten, wurden ebenfalls festgenommen. Auch im Istanbuler Stadtteil Şişli kam es zu Festnahmen als Mitglieder der ESP und der SOLDEP zum Şişli-Platz unterwegs waren.

Junge Menschen, die gemeinsam auf dem Weg zum Taksim-Platz waren und gegen den Polizeiangriff protestierten, wurden mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt und festgenommen.


Kranzniederlegung durchgesetzt

Trotz Verboten und einer massiven Polizeiabsperrung legte eine Delegation des DISK am Denkmal der Republik auf dem Taksim-Platz einen Kranz nieder, um der 1977 am 1. Mai getöteten Arbeiter:innen zu gedenken.

Die Delegation, zu der auch die DISK-Vorsitzende Arzu Çerkezoğlu und Mitglieder des Vorstands gehörten, versammelte sich vor dem deutschen Konsulat und marschierte unter Sprechchören zum Taksim-Platz.

Unter Parolen wie „Lang lebe der 1. Mai“, „Keine Rettung allein – Entweder alle zusammen oder keiner von uns“ und „Treuhänder gehen, wir bleiben“ erreichte die Gruppe das Denkmal legte dort symbolischen den Kranz nieder.

In einer kurzen Rede vor Ort erklärte Çerkezoğlu, dass Taksim der rechtmäßige Ort für die Feierlichkeiten zum 1. Mai sei, und betonte den jahrelangen Kampf, den Taksim für die Arbeitenden zurückzugewinnen. Sie sagte: „Wir werden nicht schweigen, sondern weiter für unsere Zukunft auf dem Taksim-Platz kämpfen.“

Çerkezoğlu betonte, dass die Türkei zu einem Land geworden sei, in dem Mindestlohnempfänger:innen und Rentner:innen gezwungen seien, weiterzuarbeiten, und rief die Öffentlichkeit dazu auf, an der Kundgebung zum 1. Mai in Kadıköy teilzunehmen.