Südmexiko: Indigenem Landverteidiger drohen 46 Jahre Gefängnis

Der indigene Landverteidiger David Hernández Salazar aus der Gemeinde Puente Madera in Südmexiko ist zu über 46 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Der Fall verdeutlicht die Korruption der Justiz im Zusammenspiel mit dem organisierten Verbrechen.

Die Gemeinde Puente Madera im Isthmus von Tehuantepec in Oaxaca, Südmexiko, wehrt sich seit Jahren gegen einen Industriepark und den interozeanischen Korridor auf ihrem Gemeindeland. Das Megaprojekt bedroht einzigartige Ökosysteme, indigene Gemeinden und autonome Lebensweise. Mit zunehmenden Repressionen versucht der Staat, das Feuer des „Leuchtturms“ des Widerstands im Isthmus zu löschen.

Am 7. Februar wurde das Urteil in einem Prozess gesprochen, der den indigenen Landverteidiger David Hernández Salazar aufgrund von Verbrechen verurteilt, die er nachweislich nicht begangen hat: Er soll für 46 Jahre und sechs Monate ins Gefängnis, eine Geldstrafe von 182.818 Pesos (umgerechnet etwa 10.000 Euro) entrichten und eine Schadensersatzzahlung von 1.000.001 Pesos (umgerechnet etwa 60.000 Euro) leisten.

Das Verbrechen soll eine angebliche Brandstiftung in der Nähe des Pitayal gewesen sein, dem heiligen Gemeindeland, welches durch den Industriekorridor bedroht ist. Im vierzehntägigen Prozess am Bezirksgericht von Tehuantepec ist jedoch nicht nur nachgewiesen worden, dass David zur vorgeblichen Tatzeit nicht vor Ort gewesen sein kann. Auch die Zeugen, die ihn gesehen haben wollen, verstrickten sich immer wieder in widersprüchliche Aussagen, die als Lügen offensichtlich wurden. Alle Hinweise auf die Widersprüche durch die Verteidigung wurden zurückgewiesen und teilweise nicht einmal angehört.

„Dieser Fall verdeutlicht die Korruption und das Zusammenspiel der Justizbehörden mit politischen und wirtschaftlichen Gruppen in der Region, die mit dem organisierten Verbrechen in Verbindung stehen. Die Verteidiger des Territoriums stören diese mächtigen Persönlichkeiten, so dass sie versuchen, sie mit Gefängnis, Verschwindenlassen und Ermordung zum Schweigen zu bringen“, verkündete die Versammlung der Indigenen Pueblos des Isthmus zur Verteidigung von Land und Territorium (APIIDTT) am Tag des Urteils:

„Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass David Hernández Salazar seit 2017 in seinem Kampf für die Verteidigung des Gemeindelandes von El Pitayal verfolgt wird. Zu diesem Zeitpunkt war er am Widerstand gegen die Errichtung einer elektrischen Umspannstation des mexikanischen Militärs beteiligt. Er wurde von der städtischen Polizei widerrechtlich festgenommen und geschlagen. Danach gab es eine Reihe von Verleumdungskampagnen gegen ihn, zusammen mit physischen und psychischen Drohungen. Im Jahr 2021 wurde er wegen seiner Rolle als Gemeindevertreter von Puente Madera und als Mitglied der APIIDTT erneut kriminalisiert. Er wurde von der Gemeinde San Blas Atempa, der Regierung des Bundesstaates Oaxaca, dem Interozeanischen Korridor, dem Ministerium für Kommunikation und Verkehr, dem Nationalen Landwirtschaftsregister, dem Verteidigungsministerium, der Marine und der Nationalgarde verfolgt und verfolgt. Im Jahr 2021 wurde er zum ersten Mal vor Gericht gestellt (Akte 269/2021), ohne dass er angeklagt wurde. Zu einem zweiten Zeitpunkt, Anfang 2022, begann das Strafverfahren 446/2022. Am 16. Januar 2023 wurde er rechtswidrig inhaftiert und sein Gerichtsverfahren begann.“

Allen ist bewusst, dass das Urteil gegen David nicht auf wirklichen Verbrechen beruht, sondern eine Abschreckungsmaßnahme gegen den konsequenten Widerstand der Gemeinde und der indigenen Pueblos des Isthmus gegen die zerstörerischen Megaprojekte darstellt. Das Urteil muss als Exempel verstanden werden, da Puente Madera die angebliche Zustimmung der Gemeinde für den Industriepark auf ihrem Land als Lüge enttarnte: „Wir überprüften die Unterschriftenlisten, welche die Zustimmung unserer Gemeinde zum Industriepark beweisen sollten, und stellten fest, dass fast alle gefälscht waren. Es war auch die Unterschrift einer bereits toten Person darunter.“

Noch am Tag vor dem Urteil sagte David: „Während der Anhörungen wurde meine Unschuld bewiesen, ebenso wie die Erfindung von Verbrechen und die Kriminalisierung durch die drei Regierungsebenen gegen mich wegen meiner Arbeit als Sprecher des Kampfes von Puente Madera gegen die Errichtung des Industrieparks des Interozeanischen Korridors im Dorf San Blas Atempa. Unser Kampf gilt dem Leben, und wir werden ihn weiterhin mit unserem Leben verteidigen, wenn es sein muss.“

Gleichzeitig wies David darauf hin, dass Puente Madera nur eine von vielen Gemeinden ist, die für ihren Widerstand kriminalisiert und verfolgt wird: „Auch als Mitglied der Versammlung der indigenen Völker des Isthmus zur Verteidigung von Land und Territorium teile ich die kollektive Stimme der Organisation: Wir fordern die sofortige Freilassung der Bewohner von Santa María Mixtequilla, der Mitglieder der oaxakanischen Kollektive gegen die Gentrifizierung sowie der politischen Gefangenen von Eloxochitlán de Flores Magón. Wenn sie einen von uns berühren, berühren sie uns alle.“

Unmittelbar nach der Urteilsverkündung erklärte die APIIDTT: „Mit viel Wut und Mut bekräftigen wir, dass unser Kampf für die Verteidigung des Gemeindelandes von El Pitayal weitergehen wird. Dieses Land verleiht unserer Gemeinschaft und unserer Geschichte als Binnizá-Volk Leben. Wir sind seit Jahren aktiv, um die Allmende zu verteidigen, das, was uns gehört, das Kollektiv, und wir werden dies auch weiterhin tun, indem wir das Leben, wenn nötig, mit dem Leben selbst verteidigen. Wir lehnen die gegen David Hernández Salazar verhängte Strafe energisch ab.“

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und wird auch nicht sofort vollstreckt. Tatsächlich sind es nur wenige Beispiele des zunehmenden Krieges gegen die indigenen Gemeinden im Widerstand: Parallel kam es 2024 etwa bereits zu brutalen Angriffen der Kartelle gegen Gemeinden des Nationalen Indigenen Kongresses (CNI) in Michoacán und zu massiven Vertreibungen indigener Menschen in Chiapas, u.a. aus der zapatistischen Gemeinde Moíses y Ghandi.

Die APIIDTT ruft zur Solidarität auf und lädt zu einer Feier von drei Jahren Widerstand zur Verteidigung von El Pitayal ein. Diese wird vom 14. bis 17. März 2024 in der rebellischen Gemeinde Puente Madera, San Blas Atempa, Oaxaca, stattfinden: „Von der Barrikade in El Pitayal aus bekräftigen wir: El Pitayal zu verteidigen heißt, das Gemeingut zu verteidigen; es heißt, das Leben zu verteidigen! Wenn sie einen von uns berühren, berühren sie uns alle!“

Vor knapp einem Jahr hatte eine internationale Protestkarawane gegen die zusammenhängenden Megaprojekte des interozeanischen Korridors und des Tren „Maya“ Puente Madera besucht. Damals wurde erklärt: „Puente Madera ist unsere Hoffnung, unser Leuchtturm auf dem Isthmus gegen die CIIT. Der Isthmus war aufgrund seiner Lage schon immer in den Entwicklungsplänen der mexikanischen Regierungen enthalten, und die Erinnerung, oder das kurze Gedächtnis, zeigt uns, dass wir seit dem Jahr 2000 mit dem Plan Puebla-Panama unter Fox, dann mit der Integration und Entwicklung Mesoamerikas und mit den Sonderwirtschaftszonen unter Enrique Peña Nieto über diese Entwicklungspläne zu sprechen begannen, und jetzt, mit der aktuellen Regierung, ist es immer noch dasselbe. Seit 100 Jahren taucht das Projekt des Interozeanischen Korridors immer wieder auf. Es sind die gleichen extraktivistischen Projekte, gegen die wir seit jener Zeit kämpfen. Fällt der Isthmus, fällt so viel mehr. Deshalb ist die Lage so ernst, und das Handeln so dringend erforderlich, compas. Deshalb haben wir zu dieser Karawane aufgerufen. Fällt der Isthmus, fällt so viel mehr, etwa ganz Mittelamerika: Waren, Unternehmen, Waffen, alles kann von hier aus eindringen und gen Süden transportiert werden, wenn der interozeanische Korridor Realität wird – was wir niemals zulassen werden!“