Im nordsyrischen Kanton Kobanê ist ein zwölfjähriges Mädchen bei einem türkischen Artillerieangriff am Sonntag verletzt worden. Das Kind liegt mit einer Schrapnell-Verletzung in einem Krankenhaus, Lebensgefahr besteht wohl nicht. Ereignet hat sich das Bombardement mit landgestützten Geschützen am Nachmittag im zentralen Stadtviertel Kaniya Kurdan. Etwa zeitgleich wurde auch der nahegelegene Weiler Dawûd von türkischen Truppen ins Visier genommen. Gesicherte Angaben über das Ausmaß der Angriffe lagen zuletzt nicht vor.
Seit dem frühen Abend werden auch weitere Siedlungsgebiete in Kobanê von der türkischen Armee unter Beschuss gesetzt. Aktuell mehren sich Meldungen über Angriffe auf Dörfer im Osten und Westen des Kantons. Betroffen davon sind die Ortschaften Xerîb, Carixli, Xerbîsan, Qeremox und Ceşan. Weiter südöstlich gelegene und an die Besatzungszone Girê Spî (Tall Abyad) gelegene Gebiete, darunter Kor Hassan, Saliba und Qiz Ali, stehen ebenfalls unter Artilleriefeuer. Hinweise auf Verletzte oder Schäden gab es bislang nicht.
Die Türkei hat am 19. November unter dem Namen „Operation Klauenschwert“ eine neue Angriffswelle auf Nord- und Ostsyrien gestartet. Mindestens 14 Zivilist:innen und 16 Kämpfer:innen der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) sind seither ums Leben gekommen, dutzende weitere wurden verletzt. Hinzu kommen mehr als 20 getötete Soldaten der syrischen Regimetruppen. Die Angriffe richten sich gezielt gegen die Infrastruktur der Region; es finden Luftschläge und Bodenattacken auf Schulen, Krankenhäuser, Getreidespeicher und Ölfelder statt. Die Türkei bricht im Einverständnis mit dem Westen und Russlands das Völkerrecht.
Seit Jahren versucht die Türkei bereits mit einer aggressiven Expansionspolitik einen dschihadistischen Gürtel an ihrer Südgrenze einzurichten. Bei vorhergehenden Invasionen Nordsyriens waren in 2016, 2018 und 2019 weite Teile syrischen Territoriums besetzt und anstelle der angestammten Bevölkerung islamistische Söldnerfraktionen angesiedelt worden. Auch die jetzigen Angriffe dienen diesem Zweck. Durch die permanente Bombardierung wird versucht, die Gebiete innerhalb der Autonomieregion voneinander abzuschneiden und die Menschen zu zermürben. Zudem wird die Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) gestärkt.
Nach Angaben von QSD-Generalkommandant Mazlum Abdi kann die von Ankara angekündigte Bodenoperation zur Erweiterung der türkischen Besatzungszone in Syrien jederzeit beginnen. Ziel der neuerlichen Invasion sei die Besatzung von Kobanê, Minbic und Tel Rifat im Kanton Şehba. Die QSD haben indes ihre Operationen gegen den IS wegen der Angriffe auf die Autonomiegebiete eingestellt.