Wird Trump die Angriffe auf seine Verbündeten in Syrien stoppen?

Die Türkei bombardiert die von den USA unterstützten Kurden, die den Krieg gegen den IS führen – und das Weiße Haus signalisiert nichts dagegen unternehmen zu wollen.

Gerade als es so aussah, als ob der siebenjährige Krieg in Syrien bald zu Ende gehen könnte, fiel die Türkei in die nordwestsyrische Provinz Efrîn ein. Das Ziel der Invasion sind die Volksverteidigungseinheiten, kurz YPG, die kurdische Miliz, die mit amerikanischer Unterstützung den IS in Raqqa besiegt haben. Präsident Trump wird am Mittwoch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan sprechen, aber es zeichnet sich ab, dass die Vereinigten Staaten nicht für ihren Verbündeten einstehen werden.

Ab Samstagabend führte das türkische Militär Hunderte von Luftangriffen auf eine Reihe kurdischer Städte durch und tötete Dutzende Zivilisten. Sogar am Sonntag, als gerade hochrangige US-Beamte das befreite Raqqa bereisten, rollten Kolonnen türkischer Panzer und gepanzerter Fahrzeuge über die Grenze nicht weit entfernt im Norden. Dienstag und Mittwoch zeigten Fotos in sozialen Medien, wie Massen kurdischer Zivilisten bei kalten und schlammigen Wetterverhältnissen aus ihren Häusern fliehen.

Die Türkei behauptet bei der Offensive ginge es darum, Efrîn von „Terroristen“ zu säubern. Damit meinen sie die YPG, die in den letzten drei Jahren der wichtigste Verbündete der USA im Bodenkampf gegen den IS waren. Obwohl die YPG-geführte Koalition immer noch mit Überresten des IS in der Euphrat-Region kämpft, beendete der Verlust von Raqqa effektiv sein selbst erklärtes Kalifat. Dies war ein wichtiger geopolitischer Sieg für die USA. Die Kurden, ein äußerst unabhängiges Volk, das eine beträchtliche Minderheit in Syrien, der Türkei, dem Irak und dem Iran bilden, haben eine lange Geschichte darin der USA zu helfen, damit diese ihre militärischen Ziele im Nahen Osten erreichen, nur um danach, wenn sie ihre Aufgabe erfüllt haben, von ihnen, den USA, im Stich gelassen zu werden. Am Montag tätigte das Weiße Haus einen lahmen Aufruf an die Türkei und rief diese zur „Zurückhaltung" auf. Außenminister Rex Tillerson hat die „berechtigten Sorgen" der Türkei sogar zaghaft anerkannt.

Klassisch faschistische Rhetorik mit einer Prise islamistischem Chauvinismus

Seit Beginn des Krieges in Syrien lag das Hauptinteresse der Türkei darin die Kurden, eine ethnische Gruppe, die der türkische Staat seit fast einem Jahrhundert brutal unterdrückt, unten zu halten. Unter der Führung Erdoğans wurde die Türkei zunehmend nationalistisch und autoritär. Am Samstag propagierte er die Offensive auf Efrîn mit klassisch faschistischer Rhetorik mit einer Prise islamistischem Chauvinismus. „Wir werden jeden zerschmettern, der sich unserem nationalen Kampf widersetzt", sagte er. „Wir werden jeden zermalmen, der gegen unseren nationalen Kampf opponiert", sagte er in einer Rede zu einer großen Menge, die türkische Fahnen schwenkten – und rief „Allah ist mit uns."

Die YPG hingegen ist eine säkulare, fortschrittliche Miliz mit gewählter Führung, die die Macht mit einem rein weiblichen Gegenstück, den YPJ, teilen. Wie ich bereits berichtet habe, haben sich Hunderte von Freiwilligen aus Europa und Amerika den YPG angeschlossen, insbesondere die Art von harten linken Aktivisten, die man bei Occupy Wall Street finden konnte oder die Limousinen bei Trumps Amtsantritt in Brand setzten. Lucas Chapman, ein 22-jähriger Kommunist aus Georgien, der in der YPG diente, sagt, die Invasion von Efrîn sei „völlig unethisch und zwecklos". Clark Mitchell, ein 25-jähriger US-Armeeveteran aus Tennessee, der während der Schlacht um Raqqa in der YPG diente, sagt, er und einige andere versuchen nun rechtzeitig nach Efrîn zu gelangen, um gegen die Türkei zu kämpfen. Er meint: „Unsere Führer werden tatenlos zusehen und Erdoğan nicht davon abhalten, die Kurden zu massakrieren."

Was erhofft sich die türkische Regierung?

Ab Mittwochabend blieb Efrîn ohne Radio und Internet. Dichter Nebel bedeckte das Schlachtfeld, und es gab widersprüchliche Berichte über Verluste. Das türkische Militär sagte, es habe bislang 260 kurdische und „IS"-Kämpfer getötet, obwohl der IS in Efrîn nie präsent gewesen ist. Bis zur Invasion durch die Türkei war Efrîn der friedlichste Teil Syriens. Ein Sprecher der türkischen Botschaft in Washington, D.C. war nicht bereit dazu einen Kommentar abzugeben.

Es ist nicht klar, was die türkische Regierung zu erreichen hofft. Sie können die YPG in Efrîn nicht „eliminieren", ohne die Hälfte der jungen Leute zu massakrieren, weil die YPG im Grunde ihre lokale Verteidigung sind. „Was sollen sie tun?" fragte Can Êzîdxelo, ein kurdischer Journalist aus Efrîn, „ihre Häuser verlassen?". Da Efrîn souveränes syrisches Territorium ist, auf das die Türkei keinen Anspruch hat, ist es zweifelhaft, ob sie es auf unbestimmte Zeit besetzen wollen. Die Offensive wirkt sich auch nicht direkt auf das Gleichgewicht zwischen den Rebellen und Baschar al-Assad aus. Es scheint sich dabei um einen reinen Akt der Aggression zu handeln, ein Angriff auf die Region der Kurden, um ihnen zu zeigen, dass sie den IS besiegt haben mögen, aber dass sie niemals in Sicherheit vor dem türkischen Staat sein werden.

Es ist auch eine Chance für Erdoğan, sein Gewicht in die Waagschale einer neuen internationalen Ordnung, in der es keine prinzipielle Führung mehr gibt, zu werfen. Die Vereinten Nationen waren machtlos ein halbes Dutzend Länder daran zu hindern, in Syrien, unter Verletzung des internationalen Rechts, einzumarschieren. Die Chinesen kümmern sich nicht darum, die Europäische Union läuft immer noch den USA hinterher, und die Syrien-Politik der Trump-Administration ist bestenfalls willkürlich.

Die russische Intervention in Syrien war rational und effektiv, aber absolut unmoralisch in der Verteidigung des Massen mordenden Assad. Den YPG-Befehlshabern zufolge haben die Russen ihnen die Wahl gegeben, Efrîn dem Regime zu unterwerfen oder sich mit einer türkischen Invasion auseinanderzusetzen. Als sie sich weigerten, sich Assad zu ergeben, zog Russland seine Truppen aus Efrîn zurück und machte den Türken den Weg frei, die Region zu bombardieren.

Die USA könnte die Türkei stoppen, aber ...

Das US-Militär könnte die Türkei stoppen indem es eine Flugverbotszone über Nordsyrien verhängt, aber es ist unwahrscheinlich, dass Trump für die Kurden einsteht. Sie zu benutzen, um den IS zu besiegen, war eine Strategie der Obama-Administration. Nachdem sich herausstellte, dass er doch keinen eigenen „geheimen Plan" hatte, wurde sie nur widerstrebend fortgesetzt. Seine erste Wahl als Nationaler Sicherheitsberater war Michael Flynn. Der aber musste zurückgetreten, nachdem bekannt wurde, dass er unter anderem heimlich eine halbe Million Dollar für die Unterstützung der Interessen der Türkei erhalten hatte. Trump hat seine eigenen finanziellen Verbindungen zur Türkei, einen Trump Tower in Istanbul eingeschlossen, und Erdoğan, ein korrupter, paranoider Rüpel, dessen Regierung mehr Journalisten einsperrt als irgendein anderes Land, ist einer der Führer der Welt, die Trump am meisten bewundert. Nachdem Erdoğan im April 2017 eine quasi diktatorische Macht durch ein halbseidenes Referendum an sich gerissen hatte, war Trump der einzige westliche Regierungsvertreter der ihn anrief, um ihn zu beglückwünschen. Trump sagte: „Wir haben eine großartige Freundschaft.“

Abgesehen davon, dass sie den IS besiegt haben, sind die Kurden der einzige große Akteur in Syrien mit einem aufrichtigen ideologischen Bekenntnis für säkulare Demokratie und Menschenrechte. Die ganze zivilisierte Welt sollte gegen die Türkei Position beziehen, aber wenn solche Kreaturen wie Assad, Putin, Trump und Erdoğan das Sagen haben, sieht es so aus, als würden die Kurden wieder einmal allein dastehen. Wie das alte kurdische Sprichwort sagt: „Die Kurden haben keine Freunde außer den Bergen." Zum Glück wissen die Kurden wirklich, wie man kämpft.

RollingStone | von Seth Harp