Der Morgen des 25. Juni 2015 war kein normaler Morgen, für Kobanê begann ein schwarzer Tag. Einige Monate nach dem legendären Widerstand der Bevölkerung und der YPG/YPJ gegen den IS drangen IS-Kämpfer heimlich nach Kobanê ein und begingen ein Massaker, bei dem hunderte Zivilist*innen ermordet wurden.
Das Massaker
Seitdem sind drei Jahre vergangen. Das Massaker wurde verübt, nachdem die Dschihadisten heimlich aus dem Kreis Sirin über das Dorf Berixbatan in Kobanê eindrangen. Auf der anderen Seite wurde unter den Augen türkischer Soldaten ein Fahrzeugbombenanschlag von der türkischen Seite auf den Grenzübergang Mürşitpinar verübt.
Innerhalb weniger Stunden wurden mehr als 200 Menschen vom IS getötet. Manche wurden gefesselt auf grausame Weise ermordet. Unter den Getöteten waren viele Frauen und Kinder, von denen etliche erschossen wurden.
Die Gründe für das Massaker
Als Hauptgrund, der dem IS dieses Massaker ermöglichte, führen Beobachter*innen immer wieder neben dem antikurdischen Plan der Türkei und ihrer offenen Unterstützung für den IS, die Schwäche des inneren Selbstverteidigungssystems von Kobanê zu dieser Zeit an. Denn die Bevölkerung glaubte, dass mit der Vertreibung des IS aus der Stadt die Finsternis endgültig vorbei sei.
Die Kämpfer*innen der YPG und YPJ hatten sich im Süden, Osten und Westen von Kobanê verteilt und der IS hatte sich aus diesen Gebieten zurückgezogen. Damit verringerte sich in vielen Gebieten die Präsenz von Kämpfer*innen. Der IS konnte diese Schwäche dort ausnutzen und ein weiteres Mal die Zivilbevölkerung angreifen.
Die IS-Dschihadisten hatten sich YPG-Uniformen angezogen, waren in die Stadt eingedrungen und hatten sich insbesondere auf das Viertel nahe der Autonomen Selbstverwaltung im Norden der Stadt und auf die Friedenskreuzung konzentriert. Außerdem hatten sie sich mitten in der Stadt auf die Gegend um den Azadî-Platz, die Umgebung der Mistefa-Derwiş-Tankstelle, das Hec-Beko-Viertel, die Umgebung der El-Baas-Schule, die 48. Straße und das Dorf Berixbatan verteilt. In diesen Gebieten gab es nur sehr geringe Sicherheitsvorkehrungen.
Der Angriff zielte darauf ab, möglichst viele Menschen im Kanton zu ermorden und sollte damit eine Antwort des IS auf seine Niederlage in Kobanê sein.
Die Bildung der Verteidigungskräfte nach dem Massaker
Nach dem Massaker fand eine Reihe von Gesprächen statt und Anfang Juli wurden zur Verteidigung der Stadt und aller Dörfer die Gesellschaftlichen Verteidigungskräfte (HPC) ins Leben gerufen. Diese Einheiten rekrutierten sich aus der Zivilgesellschaft und übernahmen die Aufgabe, Verteidigungspositionen und Wachen in den eigenen Dörfern und Stadtteilen einzurichten. Die Mitglieder der HPC erhielten dazu die nötige militärische, politische und ideologische Ausbildung.
Das Kommunensystem stützt sich auf Komitees aus der Bevölkerung und jedes Komitee übernimmt dabei eine bestimmte Aufgabe. Für die Selbstverteidigung der Kommunen sind die Verteidigungskomitees zuständig. Aus ihnen bildeten sich nun die HPC.
Im gleichen Jahr, am 19. Juli, fand die erste Bildungseinheit mit 30 Teilnehmer*innen an der Şehîd-Diloban-Akademie in Kobanê-Şeran statt. An der Akademie haben mittlerweile Tausende ihre Ausbildung abgeschlossen.
Nach den Lokalratswahlen am 1. Dezember 2015 wurde das innere Verteidigungssystem noch zentraler auf die Tagesordnung gesetzt. Die HPC eröffneten in der Stadt und den Landkreisen vier weitere Zentren, an denen die Grundsätze des Selbstverteidigungssystems unterrichtet werden.
An der Şehîd-Kendal-Akademie wurden mittlerweile zehn Ausbildungseinheiten zur Selbstverteidigung abgehalten. Mittlerweile befinden sich überall im Kanton und auch an der Grenze Selbstverteidigungskräfte, die das Einsickern von Dschihadisten aus der Türkei und anderen Gebieten in die Region verhindern. Gleichzeitig haben auch die Asayiş ihre Kontrollpunkte in der Umgebung von Kobanê gestärkt. Außerdem wurden Antiterroreinheiten (HAT) ausgebildet. Die Asayiş-Kräfte bewegen sich in der Stadt und der Umgebung, um für Sicherheit zu sorgen.
ANHA