Aktive von Kongra Star und PYD getötet
Das Auto, das Ende Januar in Ranya von einer türkischen Drohne erfasst wurde, ist wohl gezielt als Angriffsziel ausgewählt worden. Zu diesem Ergebnis kommt der Rat der Angehörigen von Gefallenen in der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien. Das Gremium gab heute die Identität von zwei der vier Todesopfer bekannt, die der Drohnenschlag am Montag vergangener Woche in der Kurdistan-Region des Irak (KRI) forderte. Demnach handelt es sich um zwei Angehörige der in Dirbêsiyê ansässigen kurdischen Familie Erebo: Hêva Erebo und Dilawer Erebo. Der Rat verurteilte ihre Tötung als Kriegsverbrechen und erklärte: „Dieser Fall fügt sich in andere staatsterroristische Praktiken ein, die die Türkei außerhalb ihres Territoriums gegen ihre erklärten Feinde praktiziert.“
Hêva Erebo war Koordinationsmitglied von Kongra Star, der Frauenbewegung in Nord- und Ostsyrien. Nach deren Angaben hielt sie sich in der KRI für politische Gespräche mit anderen Frauenorganisationen auf. Die 1981 geborene Kurdin hatte sich als 19-Jährige der kurdischen Befreiungsbewegung angeschlossen und war als Guerillakämpferin Salîha Viyan in verschiedenen Regionen Kurdistans im Einsatz, bevor sie im Zuge der Rojava-Revolution nach Syrien zurückkehrte und sich dort in politischen und administrativen Strukturen engagierte. So setzte sie sich für die Organisierung und Aufklärung von Frauen in zuvor von der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) befreiten Regionen, etwa Raqqa, Minbic, Tabqa und Deir ez-Zor ein.
Viele Menschen kondolierten am Dienstag in Dirbêsiyê den Familienangehörigen von Hêva und Dilawer Erebo © ANHA
Darüber hinaus wirkte Hêva Erebo am Gründungsprozess der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien mit. „Sie unternahm große Anstrengungen, um die Beteiligung aller Bevölkerungsgruppen am Aufbau der Autonomieverwaltung sicherzustellen, die gleichberechtigte Teilhabe der Frauen zu gewährleisten und den Weg zu einer echten Demokratie zu ebnen“, würdigte Kongra Star die 44-Jährige, die eine Weile auch Ko-Vorsitzende des Kantons Cizîrê war. „Hêva Erebo handelte in jedem Bereich ihres Lebens mit dem Ziel, unser Paradigma einer demokratischen Nation zu verwirklichen. Ihr Leitspruch dabei lautete stets: Jin, Jiyan Azadî. Sie war eine kurdische Revolutionärin, die ihr Leben der Freiheit widmete und war Freundin und Weggefährtin einer jeden Frau.“
Bilder der Getöteten am Trauerzelt in Dirbêsiyê © ANHA
Dilawer „Hogir“ Erebo war Hêva Erebos Cousin. Er sei als junger Mann in der PYD-Jugend aktiv gewesen und habe sich mit dem Aufkommen der IS-Besatzung dem bewaffneten Widerstand angeschlossen, erklärte die PYD in einem Nachruf auf den 35-Jährigen. Lange Jahre beteiligte er sich am Kampf gegen den Terror, dabei wurde er verwundet. Die Reise nach Südkurdistan habe er begleitet, weil er sich dort wegen seiner Verletzungen in Behandlung begeben wollte. „Dilawer Erebo widmete sein Leben der Befreiung seines Volkes und seiner Heimat. Wir bleiben seinem Ziel verbunden und bekräftigen, dass wir unseren Widerstand für ein demokratischen und dezentrales Syrien fortführen werden“, so die PYD.
Ignorierter Krieg
Die Türkei bombardiert das südliche und westliche Kurdistan seit Jahren. Angriffsziele sind Menschen, die vom türkischen Staat als „terroristische Feinde“ betrachtet und in irgendeiner Weise in Zusammenhang mit der PKK gestellt werden. Darunter fällt aus dieser Sicht auch die gesamte Autonomieregion Nord- und Ostsyrien. Zahlreiche Organisationen und Gremien, darunter auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags, weisen auf Verstöße der Türkei gegen das Gewaltverbot hin, da keine Selbstverteidigungssituation vorliegt. Die internationale Gemeinschaft ignoriert den Krieg des türkischen Staates gegen die Bevölkerung Kurdistans.