Selbstverwaltung: Verfassungskomitee ohne Rojava nicht bindend

Die Autonomieverwaltung hat auf die Verkündung eines „Verfassungskomitees“ für Syrien durch UN-Generalsekretär Antonio Guterres reagiert und erklärt, dass ein solcher Ausschuss ohne die Einbeziehung der Völker Nord- und Ostsyriens nicht bindend sei.

Anfang der Woche hat UN-Generalsekretär António Guterres die Bildung eines Verfassungskomitees für Syrien verkündet. Vorgesehen ist ein 150-Personen-Komitee, in dem das syrische Regime, die nicht näher benannte „Opposition“ und die Vereinten Nationen jeweils 50 Vertreter stellen. Die Autonomieverwaltung von Nord-und Ostsyrien, die für sechs Millionen Menschen in Syrien steht, ist in dem Verfassungskomitee nicht vertreten.

30 in Nord- und Ostsyrien aktive Parteien und Organisationen gaben daraufhin eine Erklärung ab und kritisierten, dass das Komitee nicht von den Völkern, sondern auf der Grundlage der Interessen Russlands, des Irans und der Türkei nach dem Dreiergipfel in Ankara gebildet worden sei. „Diese Situation zeigt, dass das Komitee nicht die Perspektiven der Kräfte aus Syrien widerspiegelt, sondern auf der Grundlage der Perspektiven und Vorschläge der Sotschi-Länder gebildet wurde. Eine Verfassung, an der wir nicht beteiligt sind, ist für uns nicht bindend”, hieß es in der Stellungnahme.

Am Donnerstag meldete sich schließlich die nordostsyrische Autonomieverwaltung zu Wort und verkündete ebenfalls, dass Entscheidungen eines solchen „Verfassungskomitees für Syrien” nicht bindend seien. Im Rahmen einer Pressekonferenz in den Räumlichkeiten der Selbstverwaltung in Ain Issa verlas Abid Hamid al-Mehbash als Ko-Vorsitzender des Exekutivrats von Nord- und Ostsyrien eine entsprechende Stellungnahme, die wir im Folgenden dokumentieren.

„Nach Jahren der noch immer anhaltenden Syrienkrise, Millionen von Todesopfern, Vermissten und Flüchtlingen sowie einem Zerstörungszustand katastrophalen Ausmaßes wurden bisher keine Schritte für Stabilität und eine Lösung der Krise unternommen. Angesichts des Leids und etlicher Massaker, die die Bevölkerung erleben musste, sind ernsthafte Anstrengungen für eine politische Einheit und eine dauerhafte Lösung für Syrien längst überfällig. Gerade zur jetzigen Zeit, in der die monistische Mentalität in sich zusammengestürzt ist, und um militärische Interventionen zu verhindern, muss dringend eine politische Lösung gefunden werden.

Nord- und Ostsyrien bezahlte einen hohen Preis

Die Völker Nord- und Ostsyriens haben einen hohen Preis für eine demokratische Lösung bezahlt und mit dem Prinzip der nationalen Einheit die Grundlage für eine Lösung der Syrienkrise geschaffen. Sie haben ihre historische Pflicht erfüllt und sind dem Extremismus in all seinen Formen mit einem Widerstand entgegengetreten. Die Demokratischen Kräfte Syriens, die sich der Verteidigung der Völker Syriens und ihrer Einheit verschrieben haben, opferten im Kampf gegen terroristische Organisationen wie dem sogenannten Islamischen Staat, al-Nusra und anderen radikalen Gruppierungen 11.000 Gefallene. 24.000 weitere Kämpferinnen und Kämpfer wurden in diesem Widerstand verletzt. Die QSD messen der Einheit Syriens und seiner Völker, der Demokratie und der Verteidigung der gesamten Menschheit gegenüber den IS-Banden, die nicht nur für die Region, sondern auch den Rest der Welt eine Gefahr darstellen, große Bedeutung bei.

Türkei zerstörte Atmosphäre für einen Dialog

Der Autonomieverwaltung gelang es, trotz der kosmopolitischen Struktur der Region einen gesellschaftlichen Zusammenhalt zu erreichen und Projekte umzusetzen, durch die alle Ethnien und Religionen koexistieren können. Die Stabilität in unserer Regionen, in der mehr als fünf Millionen Menschen leben, steht stellvertretend für die Stabilität aller Völker Syriens. Dies verdeutlicht einmal mehr die Bedeutung des Weges, den die Völker Nord- und Ostsyriens eingeschlagen haben, um Frieden und den Schutz aller Bürgerinnen und Bürger Syriens zu gewährleisten.

Die Haltung der Autonomieverwaltung und des Demokratischen Syrienrats (MSD) für einen nationalen Dialog in Syrien ist klar. Sie steht nicht im Widerspruch zur Zusicherung der Rechte und Interessen der Völker Syriens. Die Autonomieverwaltung hat Initiativen ergriffen, um über Russland und das syrische Regime einen direkten nationalen Dialog einzuleiten. Doch alle Seiten, zu denen wir den Dialog suchten, haben ihre Aufgaben nicht erfüllt. Hinzu kommt, dass die Türkei die Atmosphäre für einen Dialog zerstört hat. Die Unterstützung der Türkei für terroristische Gruppen in der Region ist nicht zu übersehen, zudem verletzt sie das Souveränitätsrecht Syriens. Nach der Veränderung der demografischen Struktur in Efrîn, al-Bab, Azaz und Dscharablus verhält sich die Türkei so, als handele es sich bei diesen Regionen um ihr eigenes Staatsgebiet.

Als Autonomieverwaltung Nord- und Ostsyriens stellen wir fest, dass das von den Vereinten Nationen angekündigte Verfassungskomitee weder die besonderen Umstände Syriens, seine Form und die Vielfalt berücksichtigt, noch damit die Hoffnungen der Völker auf Demokratie erfüllt. Dass die Autonomieverwaltung aus diesem Komitee ausgeschlossen wird, zeigt zudem auf, dass es weder ein gerechtes noch ein egalitäres Projekt ist. Hinzu kommt, dass es im Widerspruch zur Resolution 2254 der Vereinten Nationen steht, welche die Lösung der Syrienkrise unter Beteiligung aller Völker vorsieht.

Die Tatsache, dass unser Volk, das die Grundlage für Demokratie in Syrien geschaffen und radikale Gruppen wie den IS beseitigt hat, dessen Absicht darin bestand, Syrien zu teilen, nicht im sogenannten Verfassungskomitee vertreten ist, wird die Krise weiter verschärfen.

UN sollen Entscheidung überdenken

Wir rufen daher alle Länder, die für eine Lösung der Syrienkrise plädieren, und insbesondere die Vereinten Nationen auf, die allgemeine Situation Syriens zu beachten und lösungsorientiert zu handeln.

Der Ausschluss eines wesentlichen Bestandteils Syriens aus diesem Prozess durch die UN und die internationale Staatengemeinschaft aus Rücksicht auf die Türkei, deren Terrorunterstützung und Besatzungspolitik allgemein bekannt ist, kann nicht akzeptiert werden.

Aus diesem Grund fordern wir die UN einmal mehr dazu auf, Maßnahmen für Sicherheit und Frieden in Syrien zu ergreifen und die subjektive Entscheidung für die Bildung eines Verfassungskomitees zu überdenken. Auch die Staaten, die ihre Unterstützung für das Komitee zum Ausdruck gebracht haben, rufen wir auf, die Partizipation aller Völker der Region in Betracht zu ziehen und ihnen politisch bei der Gestaltung der Zukunft Syriens zur Seite zu stehen.

Entscheidungen sind für uns nicht bindend

Zum Schluss halten wir als Autonomieverwaltung, MSD und QSD fest, dass die Ergebnisse aller Verhandlungen zur Syrienkrise, in welche der politische Willen der Völker nicht mit einbezogen wurde, unsererseits keine Akzeptanz finden. Gleichermaßen erklären wir, dass Entscheidungen und Beschlüsse von Komitees und Plattformen, in denen wir nicht vertreten sind, für uns nicht bindend sind. Unseren Kampf für die Verteidigung der territorialen Integrität Syriens, eine demokratische Lösung zur Überwindung der Krise und der Schutz der Rechte aller Völker werden wir im Sinne unserer Ideale fortsetzen.“