QSD-Kommandant in Dêra Zor: Erdoğan stärkt den IS

Numan Cilo stammt aus Efrîn und ist einer der QSD-Kommandanten in Dêra Zor. Seiner Meinung nach gibt es keinen Unterschied zwischen den Angreifern in Efrîn und dem IS in Dêra Zor.

Seit dem 20. Januar greift der türkische Staat mit Unterstützung salafistischer Gruppen den nordsyrischen Kanton Efrîn an. Der Besatzungsversuch verläuft anders als von der Türkei geplant, weil die YPG/YPJ und die Bevölkerung Efrîns sich seit 45 Tagen um jeden Preis verteidigen.

Seit einigen Tagen wird immer deutlicher, welche Pläne die Türkei und Russland in Syrien verfolgen.

Russland führt seine gegen die USA gerichteten Offensiven in Syrien über die Türkei aus und hat sich gegenüber dem Iran und dem syrischen Regime eine ignorante Haltung zugelegt. Die USA hingegen berufen sich auf ein Abkommen zur Gebietsverteilung östlich und westlich des Euphrat und haben sich bisher nicht konkret gegen die Besatzung Efrîns durch die Türkei gestellt. Allerdings wurden auch Erklärungen abgegeben, dass durch die türkische Militärinvasion in Efrîn der IS und weitere salafistische Gruppierungen in Syrien gestärkt werden. Diese Erklärungen weckten mein Interesse und ich fuhr nach Dêra Zor an eine der wichtigsten Fronten im Kampf gegen den IS.

Dem IS sind in Dêra Zor herbe Niederlagen beigefügt worden. An der Front habe ich mit Kämpferinnen und Kämpfern der YPG/YPJ sowie mit anderen Einheiten der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) gesprochen. Demnach hat der IS wichtige Stellungen verloren und befand sich militärisch bereits in aussichtsloser Position. Nach Beginn der türkischen Militärinvasion in Efrîn hat jedoch der IS neuen Aufschwung erfahren und ist in Dêra Zor in die Offensive gegangen.

Numan Cilo stammt aus Efrîn und ist einer der QSD-Kommandanten an vorderster Front in Dêra Zor. Er sagt: „Der Angriff des türkischen Staates auf Efrîn bezweckt zweifellos, dem IS Luft zu verschaffen und ihn zu stärken. Das lässt sich in Dêra Zor beobachten. Seitdem die türkische Armee in Efrîn einmarschiert ist, ist auch der nahezu besiegte IS in Dêra Zor erneut in die Offensive gegangen. Dem IS ist bewusst, dass der Krieg in Efrîn ihm Luft verschafft, weil die Motivation unserer Kämpfer*innen auch von der Entwicklung in Efrîn abhängt. Wir sind der Meinung, dass insbesondere unsere Freunde weder die Realität des IS noch den türkischen Angriff auf Efrîn richtig analysiert haben.“ Das Schweigen zu den türkischen Besatzungsplänen in Efrîn bedeute gleichermaßen, sich diesen Plänen anzuschließen.

Numan Cilo erklärt, es dürfe nicht davon ausgegangen werden, dass sich der IS so einfach besiegen lasse. Ich frage nach dem Grund. „Der IS ist im Moment militärisch angeschlagen. Er hat Raqqa und weitere Gebiete verloren, aber an vielen Orten taucht er in anderem Gewand wieder auf“, erläutert der QSD-Kommandant. Der IS kann also auch al-Nusra sein oder sich Freie Syrische Armee nennen. Als der türkische Staat in Cerablus einmarschierte, änderte der IS innerhalb von einem Tag sein Äußeres, nannte sich in al-Nusra um oder gab sich einen anderen Namen und blieb in der Region. Auch jetzt existiert der IS unter anderen Namen in Idlib und in der Umgebung von Efrîn weiter. Der IS wird also durch die türkische Invasion und die offene Unterstützung Russlands gestärkt. Numan Cilo drückt es so aus: „Gewinnt der IS erneut an Stärke, kann es nicht nur in Syrien, sondern auch in Frankreich, Deutschland, Belgien, Großbritannien oder den USA zu neuen blutigen Anschlägen kommen. Die Voraussetzungen dafür werden vom türkischen Staat geschaffen. Der IS ist höchst erfreut über das Schweigen Russlands und der USA zu der Efrîn-Invasion. Im Moment mag es so aussehen, als ob der IS sich auf Dêra Zor beschränkt. Die Angriffe in den vergangenen Tagen in Hesekê, Qamişlo, Şeddade und anderen Orten sollten jedoch nicht nur als kurdisches Problem betrachtet werden.

Ich frage Numan Cilo, wie es für ihn ist, in Dêra Zor gegen den IS zu kämpfen, während gleichzeitig sein Heimatort Efrîn angegriffen wird. Er antwortet: „Wir kämpfen überall gegen den IS. Natürlich wäre ich jetzt gern in Efrîn. Die Angreifer in Efrîn unterscheiden sich jedoch nicht vom IS in Dêra Zor. Das sollte der internationalen Öffentlichkeit und der Koalition gegen den IS bewusst sein.“

Zum Schluss unseres Gesprächs fügt Numan Cilo hinzu: „Niemand sollte ein Auge auf die Öl- und Erdgasquellen in Dêra Zor werfen. Dieser Reichtum gehört den Syrern, den Menschen von Dêra Zor.“