Gegenüber der in Rojava ansässigen Nachrichtenagentur ANHA (Hawarnews) hat sich der Ko-Vorsitzende der PYD (Partei der Demokratischen Einheit) Shahoz Hassan zu den Drohungen der Türkei, eine Offensive östlich des Euphrat zu starten, und der Truppenverstärkung entlang der Grenze zu Syrien geäußert. Hassan betonte, dass seine Partei auch weiterhin auf den Dialog als wirksamste Form zur Lösung der Syrienkrise setze, gegen Besatzungsangriffe allerdings heftiger Widerstand geleistet werde.
„Seitdem die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) die Territorialherrschaft des IS zerschlagen haben, versucht der türkische Staat mit allen Mitteln, die Stabilität und Sicherheit der Region zu gefährden“, kritisierte Hassan und verwies auf die Beziehungen der türkischen Regierung und dem sogenannten „Islamischen Staat“ (IS). „Es ist nicht neu, dass die Türkei die größte Unterstützerin des IS darstellt. Zuletzt wurden diese der Türkei treu ergebenen Gruppen bei der Invasion von Efrîn mit dem Ziel eingesetzt, einen Teil Syriens dem türkische Staatsgebiet einzuverleiben. Seit dem Ausbruch der Syrienkrise eifert der türkische Staat seiner Ambition nach, Syrien zu besetzen. Erdoğan äußerte bereits relativ am Anfang seinen Traum, in Damaskus beten zu wollen. Jetzt spricht er von der Besatzung von Gebieten in Nord- und Ostsyrien, die vom IS befreit wurden. Das Projekt der demokratischen Selbstverwaltung ist in Gefahr“, erklärte Hassan.
Wenn die Türkei angreift, wird der IS gestärkt
Shahoz Hassan warnte zudem, dass die Kontrolle über die gefangenen IS-Dschihadisten im Falle eines türkischen Angriffs schwer werden könnte: „Es gibt eine Vielzahl von gefangenen IS-Mitgliedern in der Region. Dieses Problem muss gelöst werden. Es gibt zwar Bemühungen, aber die Drohungen des türkischen Staates führen dazu, dass dem IS wieder Leben eingehaucht wird. Es besteht die Gefahr, dass IS-Zellen aktiviert werden. Die Türkei ist sich darüber bewusst.“
Türkischer Staat ist eine Gefahr für den Frieden
Hassan betonte, dass der türkische Staat eine große Gefahr für den Frieden und die Stabilität der Region darstelle. „Die Türkei verfolgt gegenüber dem kurdischen Volk eine Völkermordpolitik. Über Milizen wie den IS oder al-Nusra konnte sie ihre Ziele nicht umsetzen, nun versucht sie es selbst. Die Politik des türkischen Staates ist gefährlich und schmutzig, sie sollte von niemandem akzeptiert werden.“ Der Politiker verwies außerdem auf Massaker in der Region während der Herrschaft des Osmanischen Reiches und sagte: „Wir wissen um die neoosmanischen Träume Erdoğans und seinen Wunsch, diese Massaker zu wiederholen. Diese Politik stellt jedoch nicht nur für die Kurdinnen und Kurden, sondern für alle Völker eine große Gefahr dar.“
Türkei muss gestoppt werden
Aus den selbstverwalteten Gebieten in Nord- und Ostsyrien sei bisher keine einzige Kugel auf türkisches Staatsgebiet abgefeuert worden, betonte Shahoz Hassan. „Jeder Angriff ging von der türkischen Seite der Grenze aus. Das sagt doch ganz klar aus, von wem die eigentliche Gefahr ausgeht. Der türkische Staat muss gestoppt werden. Die internationalen Kräfte müssen sich bewusst darüber werden, dass die Bedrohungen des türkischen Staates die territoriale Integrität und Zukunft Syriens gefährden.“
Kurden sollen vertrieben werden
Nord- und Ostsyrien wolle eine Lösung im Dialog, die Türkei hingegen „zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“; Mit der Zerschlagung Syriens solle auch die auf den Genozid an den Kurden ausgerichtete Politik sichergestellt werden, so Hassan. Dies erkläre auch, weshalb im besetzten Efrîn Dschihadisten und ihre Familien in den Häusern der vertriebenen Kurden angesiedelt werden. „Die internationalen Kräfte sollten sich darum bemühen, dieser Gefahr zu begegnen, forderte der Politiker.
Großer Widerstand gegen jeden Angriff
„Die Regionen in Nord- und Ostsyrien sind sicher, die existenzielle Bedrohung geht von der Türkei aus, und nicht wie behauptet von uns. Wir setzen weiterhin auf einen Dialog, sollte der türkische Staat auf Forderungen nach einer friedlichen Lösung für die Syrienkrise mit Angriffen reagieren, werden wir selbstverständlich Widerstand leisten“, kündigte Hassan an. Zur Truppenverstärkung an der Grenze zu den selbstverwalteten Gebieten äußerte der PYD-Vorsitzende: „Es besteht kein Zweifel, dass der türkische Staat beabsichtigt, Nord- und Ostsyrien anzugreifen. Warum sonst wurden so viele schwere Waffen, Soldaten und Dschihadisten an der Grenze zusammengezogen? Jeder sollte sich allerdings darüber im Klaren sein, dass diese Angriffe auch für die Türkei schwere Folgen haben werden. Die Folgen eines Angriffs werden für alle, die in den Konflikt verwickelt sind, fatal sein. Gerade hinsichtlich der Tatsache, dass das IS-Problem noch nicht gelöst ist.“
Shahoz Hassan erinnerte abschließend an die wirtschaftliche, innenpolitische und gesellschaftliche Krise in der Türkei, die sich auch im Ergebnis der Kommunalwahlen widergespiegelt habe: „Die Botschaft der Wählerinnen und Wähler an Erdoğan war klar. Sie akzeptieren diese Politik nicht mehr. Die Menschen wollen Demokratie. Ein Krieg dieser faschistischen Mentalität gegen Nord- und Ostsyrien wird nicht zur Problemlösung beitragen. Weder Erdoğan noch seine Regierung haben das Recht, einen Krieg anzuzetteln.“