Pulverfass Idlib: Protürkische Milizen gehen aufeinander los

Während die Türkei für ihre Angriffspläne auf Minbic an die Türen in Moskau und Washington klopft, versucht sie Idlib stillschweigend von der Tagesordnung zu nehmen. Gleichzeitig eskalieren in dem Pulverfass Konflikte zwischen Ankara-treuen Milizen.

Zwischen den unterschiedlichen Al-Qaida-Ablegern, für die Ankara in Astana und Sotschi die Garantie übernahm, kommt es in der syrischen Provinz Idlib zu heftigen Gefechten. Gruppen der von Jabhat al-Nusra angeführten Dschihadistenallianz Hayat Tahrir al-Sham (HTS) haben die im Nordosten von Idlib dominierende Miliz Harakat Nour al-Din al-Zenki angegriffen.

Nach aktuellen Informationen startete die HTS-Offensive am Sonntag in der Kleinstadt Darat Izza, etwa 30 Kilometer nordwestlich von Aleppo. Dabei eroberte die Dschihadistenallianz das Dorf Taqad und den Berg Sheikh Barakat. Auf dem fast 900 Meter hohen und strategisch bedeutenden Gipfel, der etwa an der Grenze zwischen dem Kanton Efrîn und der Provinz Idlib liegt, richtete die türkische Armee im Oktober 2017 ihren ersten Beobachtungsposten ein. Die Kämpfe in Darat Izza dauern unterdessen weiter an, es ist von vielen Toten auf beiden Seiten die Rede.

Idlib kocht über

Der türkische Staat hat bei den Syrien-Gesprächen in Astana und Sotschi die Garantie für die Milizen in Idlib übernommen und zugesichert, diese Gruppen aufzulösen. Ankara wird immer wieder an diese Versprechungen insbesondere gegenüber Russland erinnert und ist bemüht, die Situation in Idlib hinter den Drohungen gegen Minbic (Manbidsch) zu verbergen. Andererseits fliegen russische und syrische Kampfflugzeuge seit mehreren Tagen Angriffe auf dschihadistische Gruppierungen in Morek im Süden und in Jisr al-Shughur im Südwesten von Idlib.

Welche Gruppen befinden sich in Idlib?

An der Spitze der bewaffneten Gruppen in Idlib steht der syrische Al-Qaida-Ableger Al-Nusra. Al-Nusra befindet sich auf der UN-Terrorliste und hat bereits mehrere Namensänderungen durchgeführt, um von der Liste zu verschwinden. Ihr aktueller Name lautet HTS. Außerdem erklärte Al-Nusra im Juli 2016, ihre Verbindungen zu Al-Qaida aufgelöst zu haben und ausschließlich in Syrien agieren zu wollen. Neben Al-Nusra sind Jaish al-Sunna, Liwa al-Aqsa (oder al-Aqsa-Brigade), Liwa al-Haqq, Jaish al-Ahrar, Hurras al-Din und Ansar al-Din Teil der Dschihadistenallianz HTS.

Der zweite Machtblock in Idlib besteht aus dem von Ankara unterstützten HTS-Ableger Ahrar al-Sham und der Miliz Harakat Nour al-Din al-Zenki. Beide Milizen haben im Februar 2018 gemeinsam mit weiteren großen und kleinen Gruppen die „Syrische Nationale Front“ gegründet. Die Mehrheit der Gruppierungen aus diesem Block stammt aus dem protürkischen „Schutzschild Euphrat“-Verband.

Bei dem dritten Block in der Stadt handelt es sich um die von den Muslimbrüdern gegründeten Milizen Faylaq al-Sham, Jaish al-Idlib, Jaish al-Nukhba, Jaish al-Nasir sowie die erste und zweite Küstendivision. Diese Gruppen bildeten im Mai 2018 die unter türkischer Regie aufgebaute „Nationale Befreiungsfront.“ Die meisten dieser Milizen schlossen sich sowohl der Operation „Schutzschild-Euphrat“ als auch der Besatzungsoffensive in Efrîn an. Die Türkei hatte in Astana versichert, dass die Al-Qaida-Ableger gemäßigt werden sollen.

Mit dem Start der Idlib-Operation durch Syrien und Russland schloss sich im vergangenen August die „Syrische Nationale Front“ der „Nationalen Befreiungsfront“ an. HTS hat die ‚Ratschläge‘ der Türkei, das Bündnis aufzulösen und sich der „Nationalen Befreiungsfront“ anzuschließen, ausgeschlagen.