Phosphor aus Großbritannien gegen Kurden eingesetzt?

Hat die Türkei Phosphor aus Großbritannien gegen die Kurden in Nordostsyrien eingesetzt? Die Insel hat in den letzten 20 Jahren 70 Lizenzen für Rüstungsgut, das weißen Phosphor enthalten haben könnte, für den Export an Ankara erteilt.

In Großbritannien werden Bedenken geäußert, ob an die Türkei verkaufte phosphorhaltige Produkte bei der völkerrechtswidrigen Invasion in Nord- und Ostsyrien eingesetzt wurden. Laut einem Artikel in der Sunday Times wurden in den letzten zwei Jahrzehnten mehr als 70 Lizenzen für Rüstungsgut, das weißen Phosphor enthalten könnte, für den Export an Ankara erteilt.

Die autonome Selbstverwaltung hatte vorletzte Woche der türkischen Armee vorgeworfen, bei ihrem am 9. Oktober begonnenen Angriffskrieg gegen Nord- und Ostsyrien verbotente Waffen einzusetzen. Auch der Kurdische Rote Halbmond (Heyva Sor a Kurd) und die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) konfrontierten die Türkei bereits mit dem Vorwurf, vor allem in der mittlerweile besetzten Grenzstadt Serêkaniyê (Ras al-Ain) Phosphorbomben verwendet zu haben. Die Türkei hatte die Vorwürfe umgehend zurückgewiesen. Es sei „allgemein bekannt, dass die türkischen Streitkräfte keine chemischen Waffen in ihrem Inventar haben”, sagte der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar. Der britische Experte für chemische Waffen, Hamish de Bretton-Gordon, erklärte allerdings, es sei nahezu sicher, dass Großbritannien in den letzten Jahren weißen Phosphor an die Türkei verkauft hat. Auch nach den Recherchen der Times-Journalistin Lucy Fisher trifft die Aussage von Akar nicht zu. Militärische Gegenstände, die von Großbritannien an die Türkei verkauft werden, beinhalten sehr wohl weißen Phosphor. Dabei handelt es sich um Nebel und pyrotechnische Munition, Täuschobjekte und Ausrüstung für Gegenmaßnahmen sowie Signalvorrichtungen und Beleuchtungen.

Weißer Phosphor ist die gefährlichste Form des Phosphors. In Brandbomben wird die Substanz mit Kautschukgelatine versetzt. Somit bleibt die zähflüssige Masse an der bis dahin noch nicht brennenden Person die Kontakt mit dem Kampfstoff hatte, haften und wird weiter verteilt. Neben der Brandwirkung und den schwer heilenden Verletzungen sind weißer Phosphor und seine Dämpfe hochgiftig. Der Einsatz von Phosphorbomben als Brandwaffen gegen Zivilpersonen ist entsprechend dem Verbot von unterschiedslosen Angriffen in den Zusatzprotokollen zur Genfer Konvention verboten.

„Wenn wir Proben der Chemikalien hätten, die diesen Monat bei Angriffen auf Kurden verwendet wurden, wäre es wahrscheinlich möglich herauszufinden, woher dieser Phosphor stammt. Es wäre möglich, rückwirkend zuzuordnen, aus welchem Land der Phosphor stammt” erklärte Bretton-Gordon gegenüber Sunday Times.

Vor zwei Wochen wurden verstörende Aufnahmen aus Rojava veröffentlicht, die Kinder und Erwachsene mit verbrannten und verätzten Körperteilen zeigten, die klar auf den Einsatz chemischer Substanzen hindeuten. Sowohl lokale Ärzte als auch internationale Experten gingen von Phosphorbomben aus.Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) prüft nun die von Nord- und Ostsyrien vorgebrachten Vorwürfe.