Nordsyrien: Keine russischen Ersatzteile, kein Euphrat-Wasser

Der Tişrîn-Staudamm am Euphrat ist reparaturbedürftig, es fehlen jedoch Ersatzteile. Die Türkei hält das Wasser zurück.

Der Tişrîn-Staudamm am Euphrat, etwa 90 Kilometer östlich von Aleppo, wurde 1999 fertiggestellt. Der Damm ist 40 Meter hoch. Er wurde von russischen Firmen erbaut und verfügt über sechs Turbinen, die jährlich 1,6 Milliarden Kilowattstunden produzieren können.

2012 wurde der Tişrîn-Damm zunächst von den FSA und im Mai 2014 durch den sogenannten Islamischen Staat (IS) eingenommen. Ende Dezember 2015 konnten die neu gegründeten QSD (Demokratische Kräfte Syriens) den Tişrîn-Staudamm unter großen Opfern befreien. Unterstützt wurden die QSD durch Luftschläge der internationalen Koalition. Ein Rückeroberungsversuch durch den IS im Januar 2016 schlug fehl.

Die Befreiung des Damms ermöglichte auch die Offensive der QSD auf Minbic, das nicht weit vom westlichen Ufer des Euphrat entfernt liegt. Der Staudamm dient als Brücke über den Euphrat, im kleineren Maße zur landwirtschaftlichen Bewässerung und erzeugt den Strom für die Regionen Minbic und Kobanê.

Der IS hatte gezielt die Turbinen des Staudammes zerstört, heute sind zwei Turbinen reparaturbedürftig. Russland liefert Ersatzteile jedoch nur an das Regime, mit dem es Verträge hat.

Das weit größere Problem für Nordsyrien ist allerdings, dass der fast 70 Kilometer lange Stausee, der bis zur türkischen Grenze reicht, einen bedrohlich tiefen Wasserstand zeigt. Auf türkischer Seite gibt es mehrere Staustufen, die zum Beispiel am Atatürk-Staudamm das Wasser auf doppelter Größe des Bodensees aufstauen. Die Türkei hält das vertraglich mit Syrien vereinbarte Wasservolumen zurück, da die Verträge mit dem Regime und nicht mit der Selbstverwaltung Nordsyriens geschlossen worden sind, der Staudamm jedoch von der Selbstverwaltung betrieben wird. So kann tatsächlich momentan nur eine Turbine betrieben werden. Das reicht gerade einmal, um in Kobanê und Minbic jedes Stadtviertel täglich zwei Stunden mit Strom zu beliefern. Die nötigste Stromversorgung muss dann den Rest des Tages mit lauten und Abgas erzeugenden Generatoren erfolgen, die oft am Straßenrand zu sehen sind.

Zusätzlich zur Stromerzeugung betriebene Bewässerungsprojekte haben erst recht kaum die Möglichkeit, Wasser abzupumpen. Diese künstliche Knappheit kommt zu einer allgemeinen Trockenheit der südlich und östlich der Türkei gelegenen Regionen hinzu und verschärft die Lage. Durch das Embargo der Türkei und der Barzanî-Regierung in Südkurdistan gelangen auch kaum Dünger und Saatgut nach Nordsyrien, was der früheren Kornkammer des Mittleren Ostens stark zusetzt. Daher ist die Weizenproduktion von 1,2 Millionen Tonnen vor der Revolution auf jetzt 120.000 Tonnen gesunken.