Muslim: Der neue Krieg wirkt sich auch hier aus

Der PYD-Politiker Salih Muslim sagt, der Krieg in der Ukraine werde auch Folgen für Nord- und Ostsyrien haben: „Wir ergreifen Maßnahmen, um die Auswirkungen zu reduzieren.“

Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat ein geopolitisches Erdbeben ausgelöst, das auch Auswirkungen auf die Lage in Syrien hat. Syrien ist Spielball internationaler Mächte wie Russland und der NATO. In Nord- und Ostsyrien sind russische Truppen und ihre Verbündeten sowie US-Truppen stationiert. Andere Teile der Region sind von der Türkei besetzt. Daher manifestieren sich Interessensausgleiche und Konflikte zwischen den globalen Hegemonialmächten wie unter einem Brennglas. Salih Muslim aus dem Ko-Vorstandsrat der Partei der Demokratischen Einheit (PYD) sagt im ANF-Interview: „Die Lösung des Syrienkrieges wurde nicht allein den Menschen in Syrien überlassen. Andere Kräfte sind darin verwickelt. Wenn diese Kräfte andernorts kämpfen, dann können sie sich hier nicht einigen. Deswegen wird hier mit Sicherheit etwas passieren. Wir bereiten uns dementsprechend vor und organisieren uns und unser Volk.“


Seit elf Jahren herrscht Krieg in Syrien. Wie würden Sie die aktuelle Lage, insbesondere vor dem Hintergrund der türkischen Aggression beschreiben?

Rojava ist ein heißes Gebiet. Die Region ist seit dem 12. März 2004 ein Konfliktgebiet. Ab 2011 begann eine neue Phase, sowohl im Verhältnis mit dem syrischen Regime als auch im Zusammenhang mit den Ereignissen in Syrien. Als kurdisches Volk hatten wir die Gelegenheit, unser Projekt umzusetzen. Weder das Baath-Regime noch der türkische Faschismus, der Iran und die anderen können unser Projekt ertragen. Diese Situation ist offensichtlich. Wohin sich auch die Selbstverwaltung von Rojava wendet, ihr stehen der türkische Staat und seine Agenten im Weg. Das ist Ausdruck einer Linie, die der türkische Staat unverändert seit 1923 verfolgt. Es ist nicht leicht, dagegen anzukommen und zu kämpfen, aber wir bemühen uns. Auch die Türkei wird an dieser Stelle einen Weg wählen müssen. Ihre jüngste multidimensionale Krise ist auf diesen Krieg zurückzuführen. Dieser Krieg wird seit sieben Jahren auf verschiedene Arten geführt.

Warum kann keine Lösung gefunden werden, was steht ihr im Wege?

Unser Ansprechpartner ist das syrische Regime, aber es reicht nicht, wenn nur wir Frieden wollen, die andere Seite muss ebenfalls ein Leben in Frieden wünschen. Es reicht nicht, wenn allein wir uns darum bemühen. So ist die Situation im Moment in Rojava und das geht so weiter. Die Situation zwischen der Ukraine und Russland wird Auswirkungen auf der ganzen Welt haben und auch uns betreffen. Wir versuchen, uns und unser Volk zu organisieren, um diese Auswirkungen abzufedern. Wir werden uns gegen jedweden Angriff verteidigen. Es darf nicht vergessen werden, die Lösung des Syrienkrieges wurde nicht allein den Menschen in Syrien überlassen. Andere Kräfte sind darin verwickelt. Wenn diese Kräfte andernorts kämpfen, dann können sie sich hier nicht einigen. Deswegen wird hier mit Sicherheit etwas passieren. Wir ergreifen entsprechende Maßnahmen.

Die PDK und die türkische Regierung haben sich im Rahmen des Diplomatieforums in Antalya getroffen. Unmittelbar nach den Gesprächen zog die PDK Truppen in der südkurdischen Region Heftanîn zusammen. Wie ist die Haltung der PDK in dieser Phase zu verstehen?

Wir halten diese Truppenkonzentration für sehr gefährlich. So etwas sollte nicht geschehen. Wir rufen die Bevölkerung zur Wachsamkeit auf. Es wäre sehr gut, wenn die Menschen versuchen würden, dies auf demokratischem Wege zu verhindern. Denn die Guerillakämpfer:innen dort sind die Kinder von ganz Kurdistan.

Es gibt Pläne, die das föderale System gefährden. Es soll zerschlagen werden. Die Türkei ist in Südkurdistan eine Besatzungsmacht. Sie hat mehr als 50 Militärstützpunkte dort, macht Pläne gegen die Kurden und bezieht dementsprechend Stellung in der Region. Diese Spiele dort schaden allen Kurdinnen und Kurden.

Auch das Diplomatieforum in Antalya ist Teil davon. Die Einladung der Kräfte aus Südkurdistan und ihre Teilnahme am Forum gehören ebenfalls dazu.

Wie kann ein Frieden in Kurdistan und insbesondere in Nord- und Ostsyrien geschaffen werden?

Ohne die Freiheitsbewegung und Abdullah Öcalan kann es keine Lösung geben. Die Lage von Abdullah Öcalan ist sehr wichtig. Damit muss man sich beschäftigen. Zuerst muss die Situation von Abdullah Öcalan angegangen werden. Das sage ich nicht nur für den Faschismus in der Türkei, sondern auch den anderen Kräften, die ihn auf Imrali festhalten. Wenn die Kräfte, die Abdullah Öcalan gefangen halten, eine Lösung für die Frage im Nahen Osten wollen, dann sollten sie wissen, dass sie mit Abdullah Öcalan anfangen müssen. Ich hoffe, Newroz ist ein Anfang.

Wir befinden uns in einer sehr sensiblen Phase. Die ganze Welt, unser Umfeld ist von einem Flächenbrand bedroht. So sehr wir zusammenstehen, so sehr können wir die Verluste minimieren.