MSD Aleppo: Lösung für Syrien ist die demokratische Föderation

Hinsichtlich der Konflikte in Syrien sagt der Ko-Vorsitzende des Demokratischen Rat Syriens in Aleppo, Mrai Şibli: „Die Lösung der Probleme in Syrien ist die demokratische Föderation.“

Der syrische Bürgerkrieg hat sich von einem Stellvertreterkrieg zu einer Kampfstätte verwandelt, in der sich die Hauptakteure gegenseitig herausfordern. Während erwartet wurde, dass mit der Zerschlagung des Islamischen Staates durch die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) insbesondere in Raqqa und Dêra Zor ein Lösungsprozess in Gang gesetzt wird, haben Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Grenzverläufe im Mittleren Osten Russland als Schutzmacht Syriens und Iran zu einem Konfrontationskurs gegen die Hauptakteure der Mittelost-Politik USA, Großbritannien, Frankreich und andere EU-Staaten geführt.

Als sogenannte Vergeltung auf den mutmaßlichen Giftgasangriff in Duma fiel der Startschuss für Militärschläge gegen Syrien. In der Nacht zu Samstag haben die Streitkräfte der USA, Frankreichs und Großbritanniens Ziele in Damaskus getroffen. Unser Kollege Nazım Daştan, in Nordsyrien ansässiger Korrespondent der kurdischen Nachrichtenagentur MA, hat mit dem Ko-Vorsitzenden des MSD (Demokratischer Rat Syrien) in Aleppo, Mrai Şibli, über die jüngsten Entwicklungen in Syrien gesprochen. Laut Şibli haben die von den internationalen Kräften ausgehenden Konflikte keine Substanz. Hinter den Handlungen stecken andere Absichten, sagt er.

Die syrische Krise, das Sykes-Picot-Abkommen und der Vertrag von Lausanne

Um die Hintergründe der Krise in Syrien richtig zu deuten sei es notwendig, die Situation vor zehn Jahren vor Augen zu halten, erklärt Şibli und vergegenwärtigt, dass 102 Jahre seit dem Sykes-Picot-Abkommen vergangen sind und sich 2023 der Jahrestag des Vertrages von Lausanne zum 100. Mal jährt. Şibli unterstreicht, dass die internationalen Kräfte zur Neudefinierung der Grenzen im Mittleren Osten zusammenkommen. „Zwar wurden 2011 hinsichtlich Syrien Kompromisse geschlossen, aber es entfachte sich der Krieg erneut aufgrund von Widersprüchen, die sich entwickelten“, so Şibli. Infolge der Krise seien eine Vielzahl von Kräften ins Feld gezogen.

Die Zukunft Syriens

In Syrien sei vielschichtiges, diplomatisches Verhalten präsent: die Linie der Muslimbruderschaft, der Saudi-Arabien, Katar und die Türkei nachgehen, der schiitische Kurs, dem Iran und das Regime folgen, und die Linie der demokratischen Föderation, die von den Kurd*innen und freundschaftlich Verbundenen verfolgt wird, betont Şibli. Er unterstreicht, dass alle Staaten und Kräfte die Absicht hegen, das aufstrebende Projekt einer demokratischen Föderation zu zerschlagen. „Sobald die Politik einer demokratischen Föderation vordergründig ist, vereinen sich alle Kräfte gegen diese Linie. Die Demokratischen Kräfte Syriens, die mit den Ideen Abdullah Öcalans den Islamischen Staat besiegten, haben einen Grundstein für die Zukunft ganz Syriens gelegt. Von Gîrê Spî (Tall Abyad) bis nach Raqqa haben wir im Alleingang einen Sieg über den IS eingeholt und uns unter Beweis gestellt. Die Erfolge, die wir gegen den IS erzielt haben, beunruhigt die Staaten, die den IS unterstützen, da sie beabsichtigen, die Krise in Syrien noch weiter zu vertiefen“, meint Şibli.

Gegensätze zwischen USA-Israel und Iran

Şibli verweist auf die Gegensätze zwischen den Vereinigten Staaten und des Iran: „Die USA behaupten, ein schiitischer Halbmond bedeute eine große Gefahr für die Region. Der Iran ist mit seiner Politik nicht weit entfernt vom IS, insbesondere was Syrien angeht. Iran ist heute in Syrien, Irak, dem Jemen und im Libanon einflussreich. Diese Tatsache stellt eine große Bedrohung für die Errungenschaften der USA und Israels dar.“

Krieg um ein Stück vom Kuchen in Syrien

Alle Kräfte, die in Syrien präsent sind, haben es auf die Ressourcen in der Region abgesehen, sagt Şibli und betont, dass es den Intervenierenden darum gehe, sich ein Stück vom syrischen Kuchen zu schnappen. Vom Gas bis zum Öl sei es die Absicht, wirtschaftliche Gewinne zu erzielen. Die in der Presse in Bezug auf Syrien erscheinenden Erklärungen dieser Kräfte seien Teil der Strategie: „Zwar bringen einige Kräfte eine militärische Intervention in Syrien zur Sprache, doch im Grunde ist man sich bereits einig. Das gemeinsame Ziel ist die Spaltung Syriens. Alle 100 Jahre kommen die internationalen Kräfte zur Neudefinierung der Grenzen im Mittleren Osten zusammen. Die Akteure von vor 100 Jahren sind heute erneut in Erscheinung getreten, um sich am syrischen Kuchen zu bedienen.“

Syrien gehört dem syrischen Volk

„Wir handeln getreu dem Motto ‚Syrien gehört dem syrischen Volk‘. Wir haben uns zur Grundlage gemacht, ein gemeinschaftliches, multiethnisch und multireligiöses Leben zu führen“, sagt der Ko-Vorsitzende des MSD in Aleppo, Mrai Şibli. „Wir möchten nicht, dass Syrien zusammenbricht. Wir möchten das Projekt eines vereinten Syriens umsetzen und glauben daran, gemeinsam unter dem Dach einer demokratischen Föderation leben zu können”, so Şibli.

Konkretes Beispiel: Aleppo

Ein konkretes Beispiel dieser Idee würde im Viertel Şêxmaqsud bereits umgesetzt: „Wir haben hier in Şêxmaqsud einen unerbittlichen Widerstand geleistet. Es war unsere Pflicht. Wenn es dieses Viertel nicht gäbe, so wäre Aleppo bereits vor langer Zeit gefallen und stünde unter der Kontrolle salafistischer und radikaler Gruppen. Als die Türkei diese Gruppen auf uns losließ, haben all die verschiedenen Völker hier eine Einheit gebildet. Wir haben zusammengehalten. Der Sieg, den wir in Şêxmaqsud erzielt haben, ist ein Sieg für ganz Syrien. Die Kräfte, die jetzt davon reden hier zu intervenieren und beabsichtigen Syrien anzugreifen, wollen, dass die Menschen wieder an dem Punkt gelangen, wo sie vor zehn Jahren standen. Es geht darum, den Menschen hier ihre Errungenschaften vorzuenthalten.“