Iskenderun-Modell: Besetzen, niederlassen, Referendum

Die Bedrohung, die aus der Allianz zwischen dem türkischen Staat und den als FSA umetikettierten Terrorgruppen al-Qaida und IS entstanden ist, kann mit drei Schlagwörtern zusammengefasst werden: „Besetzen, niederlassen, Referendum durchführen“.

Der erste Monat des Invasionsversuchs der salafistisch-dschihadistischen Koalition mit dem türkischen Militär gegen Efrîn neigt sich dem Ende zu. In den vergangenen 28 Tagen wurde Efrîn zum Schlachtfeld für eine Neustrukturierung der Machtverhältnisse in der Region. Diese neue Situation, die für alle Kräfte in Syrien eine echte Bedrohung darstellt, birgt das Risiko einer dauerhaften Veränderung der demografischen Struktur und der politischen Landkarte Syriens.

Die Bedrohung, die aus der Allianz zwischen dem türkischen Staat und den als FSA umetikettierten Kräften der al-Qaida und des IS entstanden ist, kann unter drei Schlagwörtern zusammengefasst werden: „Besetzen, niederlassen und dann ein Referendum durchführen“. Dieser Plan ist als das „Iskenderun-Modell“ bekannt.

Erdoğans vorgebliches Ziel ist „die Sicherheit der Grenze“. Seine wahren Absichten wurden allerdings deutlich, als er mit Fortschreiten des Angriffes hervorhob, dass er das syrische Militär als „Besatzer“ betrachte und „die eigentlichen Besitzer der Region dort ansiedeln werde“. Offensichtlich soll das „Iskenderun-Modell“ von neuem auf die Tagesordnung gebracht werden. Als einen deutlichen Hinweis darauf lassen sich Äußerungen verstehen, dass die neuen „Nationalen Kräfte“ das „Vaterland“ vor dem „syrischen Besatzerregime“ retten würden. Herausstechend dabei ist, dass Erdoğan für die „Nationalen Kräfte“ den osmanischen Begriff „Ḳuvā-yı Millīye“ benutzt. Das war der Name der Kräfte, die nach Aufteilung des Osmanischen Reiches für dessen Restauration Krieg führten. Erdoğan scheint hier indirekt auf eine Revision des Abkommens von Sykes-Picot anzuspielen.

„Schutzschild Euphrat“: Zweite Annexion nach Iskenderun

Der türkische Staat hat unter dem Namen „Schutzschild Euphrat“ 2016 eine etwa 2.000 Quadratkilometer große Region zwischen Bab, Rai, Azaz und Cerablus besetzt. Die Operation „Schutzschild Euphrat“ zielte darauf ab, die Kantone Kobanê und Efrîn voneinander zu trennen. Durch die Ernennung von Landräten und Lokaladministratoren hat der türkische Staat hier eine de-facto-Herrschaft geschaffen. Die Städte werden von Stellvertretern des Gouverneurs von Antep regiert. Neben der Ansiedlung einer großen Anzahl turkmenischer Familien wurden auch Schulen für die türkische Sprache eröffnet.

Ein anderes Gebiet, auf das der türkische Staat durch salafistische Dschihadisten, al-Qaida und den Überresten der sogenannten Freien Syrischen Armee (FSA) Einfluss auf syrischem Territorium ausübt, ist Idlib. Idlib wurde vom ersten Tag des Syrienkrieges an zur Hauptbasis der von der Türkei unterstützten Gruppen aufgebaut. Mit der Unterzeichnung des Abkommens über „konfliktfreie Zonen“ durch die Türkei, den Iran und Russland wurde die Region dann ab Oktober 2017 ebenfalls vom türkischen Militär besetzt. Das türkische Militär setzt seine Aktivität als Schutzschild der vom al-Qaida-Ableger al-Nusra angeführten Heyet Tahrir Al Şam (HTŞ) fort. Erdoğan, der selbst das Vorrücken des Militärs des syrischen Regimes in Idlib als Gegenleistung für die Freigabe des Luftraums über Efrîn erlaubt hatte, hat erklärt: „Wie in Efrîn werden auch in Idlib die Operationen fortgesetzt“. Anschließend hat das türkische Militär dreimal hintereinander versucht, Panzerkolonnen in den Süden Aleppos zu schicken. Diese Versuche sind von Russland und dem syrischen Militär unterbunden worden. Dennoch ist zu erwarten, dass sich der Krieg um die Vorherrschaft hier ebenfalls in den nächsten Tagen verschärfen wird.

Zuerst Besatzung, dann Referendum

Der Plan Erdoğans, „die Suche nach einem Ort“ für die 3,5 Millionen Flüchtlingen aus Syrien dazu zu nutzen, einen Korridor entlang der Linie Bab, Cerablus, Azaz, Efrîn und İdlib und von Cisr El Şuxur und dem Gap-Gebiet zum Berg Kurd, von dort zum Berg Türkmen bis „hin zum Mittelmeer“ zu öffnen, nimmt Gestalt an. Dieser „Erdoğan-Plan“, dessen Umsetzung allmählich versucht wird, soll durch Efrîn Idlib und Cerablus vereinen. In den besetzten Gebieten sollen die Flüchtlinge aus Syrien untergebracht werden, so wie der türkische Staat 1938 als „Sicherheitskraft“ in Iskenderun eingerückt war und dann die Region durch ein Referendum an sich gebunden hatte.

Widerstand von Efrîn ist Widerstand gegen diesen Plan

Die Kurd*innen und die Völker Syriens, die gegen diesen Plan kämpfen, werden trotz des hohen Preises, den sie im Kampf gegen den IS gezahlt haben, damit alleine gelassen. Die Angehörigen der Gruppen, deren Wurzeln bis zu al-Qaida, den Taliban und dem IS reichen, also al-Nusra, Feylak El Şam, Ehrar El Şam, Nureddin Zengi, Sultan-Murad-Brigade, Samarkand-Brigade, Fatih-Sultan-Mehmet-Brigade, Islampartei Turkistan, Saladin-Brigade und andere Milizen wurden seit sieben Jahren vom MIT aus der ganzen Welt zusammengesammelt und werden in verschiedenen Städten der Türkei ausgebildet und ausgerüstet.

Diese Milizen, die sich eine „syrische Identität“ geben und unter dem aus der osmanischen Mottenkiste stammenden Namen „Ḳuvā-yı Millīye“, also „Nationale Kräfte“, agieren, begehen Vergewaltigungen, Folter, Hinrichtungen, Entführungen, ethnische Säuberungen, Raub, Erpressung und Plünderungen. Ihnen stand vom ersten Tag an der Widerstand der QSD entgegen, welche immer wieder zur Einheit Syriens aufrufen und einen entschlossenen Kampf gegen diese vom MIT unterstützten Gruppen führen. Dieser Widerstand wird alle schmutzigen Pläne des Erdoğan-geführten türkischen Staates dem Erdboden gleichmachen.