Internationales Wasserforum in Nord- und Ostsyrien
Im nordostsyrischen Hesekê findet ein zweitägiges Wasserforum statt. Beteiligt sind namhafte Persönlichkeiten und Fachleute aus dem In- und Ausland, darunter Bernard Kouchner und Gerard Chaliand.
Im nordostsyrischen Hesekê findet ein zweitägiges Wasserforum statt. Beteiligt sind namhafte Persönlichkeiten und Fachleute aus dem In- und Ausland, darunter Bernard Kouchner und Gerard Chaliand.
Unter der Schirmherrschaft des Komitees für Kommunalverwaltung und Umwelt der Cizîrê-Region, der Rojava-Universität und des Zentrums für strategische Studien findet in Hesekê das „Internationale Wasserforum Nord- und Ostsyrien“ statt. Das Forum zielt darauf ab, internationale Abkommen und Gesetze zum Thema Wasser zu beleuchten, die Aufmerksamkeit auf die regionale Wasserpolitik und den Krieg um die Ausbeutung von Wasserressourcen in politischen und ökonomischen Konflikten zu lenken sowie Risiken und Herausforderungen im Zusammenhang mit der Frage der Wassersicherheit und nachhaltiger Wasserentwicklung zu diskutieren. Die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen der Nutzung von Wasser und Wasserinfrastruktur als Waffe durch die Türkei stehen ebenso auf der Agenda des Forums wie die Suche nach Strategien für die Bewältigung der Wasserkrise in Nord- und Ostsyrien.
Rund 300 Delegierte aus dem In- und Ausland, darunter Vertreterinnen und Vertreter zivilgesellschaftlicher Einrichtungen und humanitärer Organisationen, Umweltorganisationen und Ökologiebewegungen sowie zahlreiche Wissentschaftler:innen und Expert:innen für Wasserrechte beteiligen sich an dem Forum. Der erste Tag der Veranstaltung im Kulturzentrum Serdem begann am Montag mit der Eröffnungsrede von Suleiman Arab, dem Ko-Vorsitzenden des Komitees für Kommunalverwaltung und Umwelt. Arab erwähnte zunächst, dass die ersten Hochkulturen vor 6.000 Jahren an den Ufern von Euphrat und Tigris entstanden. Die Zwillingsflüsse entspringen in Nordkurdistan und fließen über Syrien und den Irak bis in den Persischen Golf. „Wasser ist eine Lebensader, die wir alle brauchen. Doch weltweit steht der Vorrat unter Druck. Quantität und Qualität stehen vor großen Herausforderungen.“
Suleiman Arab
Bevölkerungswachstum, massive Vertreibungsbewegungen aus dem Inneren Syriens, Umweltverschmutzung, die Verschlechterung der Süßwasserressourcen und die Auswirkungen des Klimawandels, wie anhaltende Dürren, belasten die Wasserversorgung Nord- und Ostsyriens und seine Qualität erheblich. Suleiman Arab fügte hinzu: „Die Autonomiegebiete stehen in diesem Zusammenhang vor weiteren Herausforderungen, die durch die türkische Besatzung und Zunahme von terroristischen Aktivitäten und damit einhergehenden destabilisierenden Sicherheitsbedingungen verursacht werden. Hinzu kommen Schwierigkeiten bei der Verwaltung und dem Betrieb des Wassersystems und der Netze. Die Situation bezüglich Wasser ist in der Region äußerst kritisch und hängt vom politischen Willen der Türkei als Oberanrainerstaat des Euphrat-Tigris Beckens ab.”
Nach Vorträgen von international bekannten Persönlichkeiten wie dem früheren französischen Außenminister Bernard Kouchner, dem Experten für geostrategische Konflikte und Buchautoren Gerard Chaliand, dem Gründer der Sully Dirty Organization, Alan Poind, Dr. Hassan Azzam, der stellvertretende Koordinatorin für Ernährungssicherheit in Nord- und Ostsyrien, Loren Battal, und Dr. Ahmad Barakat startete die erste von drei Hauptsitzungen. Darin ging es um internationale und bilaterale Verträge, Abkommen und Richtlinien der globalen Wasserpolitik sowie die politischen und wirtschaftlichen Dimensionen der Wasserkrise in der Region. Laut einem Abkommen von 1987 muss die Türkei 500 Kubikliter Wasser des Euphrat pro Sekunde über die Grenze nach Syrien und zum Irak fließen lassen. Gerade sind es aber weniger als 200 Kubikmeter. Das hat fatale Folgen für die Trinkwasserversorgung, die landwirtschaftliche Produktion und die Viehzucht. Laut Suleiman Arab wird langsam aber sicher die Ernährungssicherheit in den Autonomiegebieten beeinträchtigt. Schon bald könnte sich die Wasserknappheit im Rückgang der Produktion des wichtigsten Nahrungsmittels, nämlich Brot, bemerkbar machen.
Gerard Chaliand (links im Bild)
Die zweite Sitzung befasste sich mit dem „Wasserkrieg“ und internationalen Konflikten, den politischen Auswirkungen der Wasserkrise auf die Sicherheitslage in der Region, der Nutzung internationaler Flüsse durch die Türkei als politisches Druckmittel zur Durchsetzung ihrer Hegemonie und Wasser als Mittel des Friedens anstelle von Gewalt. In diesem Zusammenhang wurde auch die Problematik bezüglich der Wasserpumpstation Alouk beleuchtet, die im Nordosten Syriens mehr als eine Million Menschen mit Trinkwasser versorgt. Seit der Invasion im Herbst 2019 liegt das bei Serêkaniyê befindliche Alouk im Einflussbereich protürkischer SNA-Söldner. Regelmäßig dreht Ankara den Hahn ab.
Unter den Delegierten befinden sich auch Diplomaten aus Europa
Am heutigen Dienstag wird das Forum fortgesetzt. Das Programm sieht zwei Sitzungen vor und schließt mit den Ergebnissen und Empfehlungen der Teilnehmenden. Beide Sitzungen befassen sich mit vier Hauptthemen, in deren Mittelpunkt die „Umweltauswirkungen der Wasserkrise und die drohenden Katastrophen infolge der Verschlechterung der Wassersicherheit“ sowie die „Klimaveränderungen und ihre Rolle bei der Beeinträchtigung der Wassersicherheit in der Region, die langfristigen Pläne der Türkei zur Wassernutzung in Großprojekten in der Türkei und die Konsequenzen für Syrien und den Irak, die Verschmutzung internationaler Gewässer und ihre Auswirkungen auf biomedizinische Systeme“ stehen. Zum Abschluss werden die verschiedenen Nutzungsarten von Wasser und ihre Auswirkungen auf die Wassersicherheit, die Auswirkungen des Wassermangels und die damit verbundenen Risiken, die Wasserreserven sowie die Möglichkeiten und Lösungen zur Erreichung der Wassersicherheit beleuchtet. Das Internationale Wasserforum in Nord- und Ostsyrien soll mit Schlussfolgerungen und Empfehlungen enden.